Studium und Familienbeihilfe – ein österreichisches Konstrukt
Im Normalfall, insbesondere bei Familien mit mehreren Kindern, ist die Studienfinanzierung in den letzten Jahren wieder verstärkt zu einem finanziellen Kraftakt geworden. Vermeintliche Förderungen können Familien ungewollt und unversehens in den finanziellen Ruin treiben.
Gut gemeint ist oft das Gegenteil von ‚gut’
Trotz anders lautendem Bildungsmarketing nimmt die Zahl der Maturant_innen zu, die keine Vorstellung davon haben, was sie studieren wollen und welche Studien ihnen überhaupt Aussicht auf ein Auskommen mit einem späteren Einkommen verschaffen können.
Unterbewusst wirkt das traumatisierende Szenario nach, das Wolfgang Schüssel Anfang der Nullerjahre entwarf: Die Studierenden werden im dem Fach, das sie studieren ohnehin nicht arbeiten, wenn, dann nur vorübergehend. Diese Perspektive mag für viele junge Menschen frustrierend sein. Sie studieren etwas und dann besteht die große Wahrscheinlichkeit, dass sie für die Arbeit, die sie - so überhaupt - dann finden, die Qualifikation, zumindest die Skills des Studiums nicht zwangsläufig gebraucht hätten. Für viele beginnt damit der Kreislauf von Umschulungen und Fortbildungen, Trainee und ‚learning on the job’.
Unbestritten: die Zeiten sind weitgehend vorbei, in welchen man sich mit Mitte Zwanzig ein berufliches Gleis sucht, das einen ohne Unterbrechung - so nicht gewollt - in gemütlicher Fahrt direkt in die Pension bringt. Allein die Aussichten verstören, dass es in zwanzig Jahren womöglich die Hälfte der Berufe nicht mehr geben wird, in welchen heute Menschen noch ihren Lebensunterhalt verdienen – zumindest besagt dies eine vielzitierte Studie aus Oxford mit Blick auf den US-amerikanischen Arbeitsmarkt.
Welche der seit Jahren immer vielfältiger werdenden Studiengänge führen in eine beruflich tragfähige Zukunft? Immerhin werden derzeit in Österreich rund 2000 Studienprogramme angeboten. Zwar werden in den Hochglanzbroschüren der Studiengänge pflichtgemäß Berufsbilder genannt, auf die das Studium ausgerichtet sei, insbesondere bei Fachhochschulen. Jedoch bleibt das bei näherer Betrachten doch mehr der Werbung als der realistischen Aussicht verpflichtet.
Die Halbwertszeit von Skills, insbesondere im digitalen Umfeld, verkürzt sich deutlich. Für die Entwicklung von Fähigkeiten bleibt an Massenuniveristäten und Fachhochschulen immer weniger Raum. Dabei sind ‚übertragbare Fähigkeiten’ ein zentrales Asset einer Erwerbsarbeitskarriere.
Orientierungsphase nach der Matura
Immer mehr Maturant_innen möchten sich nach etlichen Jahren AHS, HTL, HBLA etc. pp. nicht gleich nahtlos ins Studium stürzen. Viele machen ein soziales Jahr, so sie nicht zum Militär eingezogen werden oder Zivildienst leisten. Andere wollen Auslandserfahrung sammeln. Darunter finden sich auch Maturant_innen, die bereits wissen was sie studieren wollen und in welchem Job sie später arbeiten möchten.
Viele wollen sich in dieser Zeit erst klar werden, wohin die weitere Reise gehen soll, welches Studiums sie ergreifen sollen und womit sie später ihren Lebensunterhalt verdienen möchten. Eigentlich vernünftig. Statt Hals über Kopf in ein Studium zu stürzen, das nächstliegende und am ehesten plausible zu wählen, ist es doch klüger, sich Zeit für die Entscheidung zu nehmen.
Ein Studierender kostet den Staat pro Studienjahr im Schnitt elftausend Euro. Der Staat müsste es also begrüßen, wenn sich junge Leute erst Klarheit verschaffen wollen, bevor sie irgendetwas zu studieren beginnen. Tut er aber nicht. Im Gegenteil: Wer an die Matura nicht unmittelbar im anschließenden Wintersemester ein Studium aufnimmt verliert schon im Monat nach der Matura den Anspruch auf Familienbeihilfe. Dazu können die Eltern den Kinderabsetzbetrag nicht geltend machen und ebenso wenig den Kinderfreibetrag beanspruchen. Etwas über dreitausend Euro spart sich der Staat dadurch. Dreitausend Euro, die einem jungen Menschen in der wichtigen Orientierungsphase fehlen. Das können sich viele nicht leisten. Sie entscheiden sich, die Orientierungsphase in die ersten Semester zu verlegen und wechseln nach dem ersten Studienjahr, bzw. exmatrikulieren. Annähernd jeder dritte Student in Österreich bricht sein Studium vorzeitig ab. Offenbar stört es den Staat nicht, dass diese Variante der Orientierung achttausend Euro teurer ist und obendrein unnötiger Weise die ohnehin belasteten Ressourcen des Hochschulbetriebes weiter strapaziert. Kein gutes Geschäft: weder für den Staat noch für die Studierenden.
Mit anderen Worten, wer sich Zeit zum Überlegen nehmen will, um zu einer guten Studienentscheidung zu kommen, muss sich das leisten können.
Gap Year erhöht Studienerfolg und Karrierechancen
So titelt ein Beitrag im Karriereteil der Salzburger Nachrichten. Untertitel: „Für einige Monate oder ein Jahr ins Ausland zu gehen fördert Sprachkenntnis und Karriere.” Von der amerikanischen Gap Association veröffentlichte Studien zeigen, so die Autorin weiter, „dass Absolventen eines Gap Year ihr Studium durchschnittlich mit besseren Noten abschließen und eine höhere Zufriedenheit im Berufsleben erreichen”. Wer den Elterlichen Haushalt verlässt, um im Ausland zumeist als Au-pair Erfahrungen zu machen und Sprachkurse zu besuchen, verbessert nicht nur seine Fremdsprachenkenntnisse, sondern wird in der Regel selbständiger.
Ohne Familienbeihilfe ist ein ohnehin teurer Auslandsaufenthalt nur für Familien mit entsprechendem Haushaltseinkommen leistbar. Das hat ein weiteres Aufgehen der sozialen Schere zur Folge. Nachdem Noten zunehmend an Bedeutung verlieren, gewinnen Portfolios, Auslandserfahrung, Sprachen, interkulturelle Kompetenz ua. immer mehr an Attraktivität.
Politisch wird das Gap Year nicht gewürdigt.
Forderung: Familienbeihilfe bis 19 — Studienbeihilfe bis 26
Faktisch gibt es die Familienbeihilfe für minderjährige Kinder (s. Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG)). Für volljährige Kinder (diese Bezeichnung ist in sich etwas widersprüchlich ;-) bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres wird die Familienbeihilfe nur dann gewährt, wenn sich diese - einfach gesprochen - in Ausbildung befinden. Genau genommen handelt es sich also um eine Ausbildungsförderung. Es wäre schon einiges gewonnen, wenn der Gesetzgeber sich um größere begriffliche Klarheit bemühen würde. Womöglich ist dieser Sprachgebrauch dem Ressort geschuldet, das die entsprechenden Budgets dazu verwaltet: Es ist das Ministerium für Familien und Jugend (BMFJ) und nicht das Wissenschaftsministerium, bzw. das Bildungsministerium. Rein strukturell betrachtet könnte hier das Übel wurzeln.
Um eine Orientierungsphase nach Abschluss der Schulbildung möglich zu machen, sollte es einen Anspruch auf Familienbeihilfe bis zum vollendeten 19. Lebensjahr geben.
Nach dem 19. Lebensjahr sollte es keine Familienbeihilfe mehr geben, wohl aber eine Ausbildungs-, bzw. Studienbeihilfe, wobei ein Doppelbezug von Familienbeihilfe und Studienbeihilfe bei Studienanfängern vor vollendetem 19. Lebensjahr auszuschließen wäre. Die Höhe der Ausbildungs- bzw. Studienbeihilfe hätte sich an den tatsächlichen Kosten einer staatlichen Ausbildung unter Berücksichtigung der Lebenshaltungskosten der Studierenden und m.E. des Haushaltseinkommens der Eltern zu orientieren. Die bestehende Studienbeihilfe nach dem Studienförderungsgesetz (StudFG) könnte in dieser neuen Regelung aufgehen. Als erfolgreiche Form der Studienbeihilfe, bzw. Studienförderung hat sich in Deutschland das sog. BAföG bewährt. Warum österreichische Poliktik an etwas festhält, was nicht wirklich funktioniert und nicht stattdessen Lösungen adaptiert, die sich bewährt haben, bleibt rätselhaft.
Wie die Praxis zeigt, wird der Abschluss mit Bachelor seitens der Wirtschaft aber auch des öffentlichen Dienstes nicht wirklich angenommen. Immer mehr Studierende schließen unmittelbar an das Bachelor Studium das Master Studium an. Daraus ergibt sich eine Mindeststudiendauer von 5 Jahren (10 Semestern). Faktisch hat sich das Berufseintrittsalter mit Bologna um ein Jahr verzögert und damit einen gegenteiligen Effekt gebracht, anders als ursprünglich intendiert. Inklusive eines zusätzlichen Studienjahres ergäbe sich für den Abschluss der üblichen Hochschulausbildung ein Alter von 26 Jahren. Damit wäre auch die maximale Bezugsdauer einer Ausbildungs- und Studienbeihilfe erreicht.
1 Kommentar
Kommentar von: Solli

der angriff auf die familienbeihilfe ist richtig, denn es entmündigt den jugendlichen , der eigentlich ab matura für seine zukunft sorgen soll. – bafög wird auch auf der basis der elterneinkommen berechnet, da nur geringe einkommen gefördert werden sollen. aber es ist voll an den studi gebunden und nicht über die family. da ist ein katholisches verständnis und nicht die selbstandigkeit des ichs förderwillig. patronage hat vorrang um die abhängigkeit zu manifestieren. total an der sozialen wirklichkeit vorbei.
das mit dem arbeitsmarkt find ich sehr interessant. auch in der brd. über 40 % prozent bachelor-abbrecher. Bei uns wird die ausrichtung durch die bundesländer behindert.
aber ösi hat doch riesige bildungsforschungseinrichtungen in wien (wifi), uni klagenfurt da könnte man doch hilfen für die maturanten und die zentralregierung schaffen?