Journal zu Zeiten von COVID-19
Es passieren so viele verrückte Sachen, dass ich mich nun doch dazu entschlossen habe ein „Journal in Zeiten von COVID-19” zu führen – kein eigenes Blog, aber ein Blogpost in welchem ich Einträge, zumeist Kommentare notiere. Damit verlagere ich meine analoge Zettelwirtschaft mit Notizen ins Netz. Ganz offen gestanden ist es mir gleichgültig, ob diese Notizen Leser*innen finden werden, denn es sind zunächst Erinnerungsstützen für mich selbst.
Januar 21
Dienstag, 12 - [Fehlgeleitete Selbstermächtigung]
Parteien und andere Gruppen und Grüppchen versuchen in Zeiten von Corona–Verunsicherung ihr eigenes Süppchen zu kochen. Mit dem Erfolg, dass die Verunsicherung zunimmt. Das mag bei manchen Agitator*innen durchaus so gewollt sein. Es scheint, als verfolge auch die Exekutive an manchen Standorten eigene Agenden, verunsichert, was rechtlich nun gilt oder nicht gilt oder künftig womöglich rechtlich nicht halten könnte, oder auch getrieben von ganz anderen Motiven. Da wundert es nicht, wenn Menschen glauben, sich über Recht und Gesetz hinwegsetzen zu können, weil es aus der je eigenen Lebensperspektive so Sinn machen könnte. Wenn nicht mehr Gesetze und Recht als Richtschnur eines legitimen Handelns gelten, sondern die eigene Beurteilung, ob das nun auch billig sei, dann ist der Rechtsstaat in Gefahr. Das umso mehr, wenn die Exekutive nicht konsequent Vergehen und Rechtsbrüche verfolgt und die Justiz diese ebenso konsequent und angemessen verurteilt - zeitnah, damit der Zusammenhang für alle erhalten bleibt. Geschieht dies nicht, wird dies als Schwäche der Staatsgewalt angesehen, ohne die aber auch Demokratien nicht auskommen. Wird eine Schwäche der Staatsgewalt wahrgenommen, dann kann sich eine Dynamik entwickeln, die weitaus härtere Maßnahmen erforderlich machen könnte. Wer weiß, vielleicht ist auch das Ziel einer politischen Agenda. Vernünftig ist das nicht.
Daher ist die Rechtsdurchsetzung ohne Alternative. Die Alternative wäre das Recht des Stärkeren.
Dienstag, 5 - [Es wird irreal]
Es scheint, als würden dieselben Leute, die sich als Impfgegner hervortun gleichzeitig zu den heftigsten Kritikern der Regierung zählen, weil zu wenig geimpft wird und die Durchimpfung zu schleppend voran geht. Paradoxe Reaktionen. Die Angst regiert, sei es vor Ansteckung, Arbeitslosigkeit, Insolvenz, Vereinsamung, Freiheitsverlust und doch wollen so viele ihren Spaß, Skifahren, Rodeln, ins Wirtshaus gehen, Party machen und kümmern sich wenig um Regeln, verhalten sich rücksichtslos … Manchmal erinnert mich das an kleine Kinder, die kognitiv noch nicht in der Lage sind zu erfassen, dass sich manche Dinge gegenseitig ausschließen. Wir erleben in dieser Pandemie auch eine Zeit der Infantilisierung.
Dezember 20
Montag, 28 - [Profiteure der Corona Pandemie]
Das Handelsblatt meldet: Dax erreicht neues Allzeithoch – Neue „Generation Börse“ beflügelt den Markt
. Angesichts vieler Menschen in Kurzarbeit und einer weiter steigenden Zahl an Arbeitslosen, angesichts einer enormen Zahl an drohenden Insolvenzen und Konkursen, angesichts eines darniederliegenden Kulturbetriebs scheint es einigen Unternehmen und Konzernen sehr gut zu gehen. Das ist letztlich obszön. Nicht dass es erfolgreich wirtschaftende Unternehmen gibt. Vielmehr der Verdacht, dass es „Krisengewinnler” sind, Unternehmen und Konzerne, die mit der Katastrophe und wegen der Katastrophe viel Geld machen. Nachvollziehbar ist das bei Unternehmen wie BioNTech, Pfizer oder CureVac aber dass der DAX insgesamt ein Allzeithoch verzeichnet ist wirklich irritierend. Da hoffe ich, dass es dazu Analysen geben wird, wie das zu erklären ist. Die Meldung selbst jedoch muss für Menschen, die durch Corona an den Rand ihrer Existenz gedrückt werden, wie Hohn wirken.
Samstag, 26 - [Fragwürdiger Lockdown 3]
Am ersten Tag des Lockdown 3 drängten sich die Skifahrer und Rodler auf den Pisten und an Skililften, als gäbe es keinen Lockdown, schlimmer noch, als seien die Rodler und Skifahrer von der Corona Pandemie nicht betroffen. Die Regierung hat das durch Ausnahmereglungen zugelassen, bzw. es den Ländern überlassen, wie sie das mit den Skiliften handhaben. Eine Farce. Der Lockdown ist kein Lockdown. Es werdenLebensbereiche für sehr viele Menschen, aber eben nicht für alles und für alle eingeschränkt. Damit ist der epidemiologische Sinne und Nutzen eines Lockdown allerdings konterkariert. Die heilige Kuh Skifahren wird vielen Menschen noch das Leben kosten, der Wirtschaft Schaden zufügen und die Arbeitslosigkeit weiter verschäften. Ein hoher Preis. Es zeigt, wie irrational unsere Gesellschaft agiert und wie populistisch die Regierung damit umgeht.
Auch die so geschimpften „Covidioten”, die so genannten „Querdenker”, sind trotz Lockdown ohne Abstand zu halten und ohne MNS wieder auf die Straßen gegangen um für ihre Freiheit gegen die Maßnahmen im Lockdown zu demonstrieren. Sie haben noch nicht begriffen, dass die Freiheit des einzelnen dort endet, wo die Freiheit anderer dadurch eingeschränkt wird. Sie sehen nur die eigene Befindlichkeit. Das ist schlimm. Aber man weiß, dass es in einer Gesellschaft etwa 15 Prozent Menschen gibt, die sich teils aggressiv irrational, selbstsüchtig und rechtswidrig verhalten, darunter viele Rechtsextreme, die hier ihre Agenda vorantreiben aber auch genügend Soziopathen und Mitläufer. Was aber bedenklich ist, dass der Staat nicht bereit ist, von seinem Gewaltmonopol rechtmäßig und unmissverständlich Gebrauch zu machen. Er wirkt schwach und zögerlich. Das wiederum ermutigt Rechts- und Linksextreme, aber auch Egoisten und Egomanen dazu, Recht zu missachten.
Eine der größten Gefahren für die Demokratie bleibt weiterhin eine opportunistische, populistische Politik der Regierenden und der Opposition. Davon geht eine größere Gefahr aus als von verirrten und verwirrten Zeitgenossen.
Freitag, 18 - [Verpflichtende Massentests durch die Hintertüre]
Nachdem die Teilnahme an den sogenannten „Massentests” nicht gerade berauschend war, sieht die Bundesregierung im Anschluss an den dritten Lockdown nun vor, dass mit 18. Januar nur diejenigen daraus entlassen werden, die einen negativen Test vorweisen können. Alle anderen müssen eine weitere Woche in Quarantäne bleiben. Quelle: ORF Mittagsjournal
Warum tut sich die Regierung so schwer, offen zu kommunizieren? Sie hätten ja gleich sagen können, dass die Teilnahme an den Massentests nur so lange freiwillig bleiben kann, solange bspw. mehr als zwei Drittel der Bevölkerung freiwillilg daran teilnehmen werden. Sofern das nicht gelinge, würde die Teilnahme künftig verpflichtend verfügt werden. Und in diesem Zusammenhang muss man auch ankündigen, dass dies erforderlich ist, um einen weiteren Lockdown zu verhindern. Wer also gegen die Testpflicht ist, nimmt diesen Lockdown in Kauf. Es gibt keine Option beides zu verweigern. Hasardeure sind keine ernstzunehmenden Teilnehmer*innen am gesellschaftlichen Diskurs.
Erwachsene sind keine kleinen Kinder. Informationen und Handlungsoptionen gehören auf den Tisch gelegt. Das scheint die Regierung zu vermeiden, um möglichst keine Popularitätsverluste realisieren zu müssen. Das geht aber für alle ins Auge.
Mittwoch, 16 - [Internetmüdigkeit nimmt zu]
Es gibt Indizien, die darauf hindeuten, dass zumindest in Österreich zunehmend mehr Menschen „internetmüde” werde, sich auf Tratsch in Messengern zurückziehen und sich bei der Informationssuche auf eine überschaubare Anzahl an Nachrichtenmedien und Foren beschränken, auf einige wenige Kanäle – zumindest im Privaten. Zugenommen haben sicherlich Videotelefonie und Videokonferenzen im Freundes und Familienkreis. Einige Medien wie Twitter erfahren einen regelrechten Schwund. Es scheint, als wären zunehmend viele Menschen übersättigt mit digitaler Kommunikation. Ein Vertrauensverlust und die Angst, Opfer von Cyber-Kriminellen zu werden, tun ihres dazu. Viele sind überfordert mit den vielen bedrohlichen Szenarien. Kann es sein, dass sich ein neues Biedermeier, ein smartes Biedermeier in Österreich breit macht?
Montag, 7 - [Testbereitschaft bei weniger als dreißig Prozent]
Es ist nicht wirklich verwunderlich, dass die Teststationen nicht gestürmt wurden und sich die Nachfrage nach den kostenlosen Covid19 Antikörpertests deutlich in Grenzen hielt, insbesondere bei den 16 bis 29Jährigen. Diese Bilanz wurde von Statistikern vorhergesagt. So bleibt ein erwartbarer Misserfolg, über den Medien mit „Fischen im Trüben”spotteten. Zurecht. Warum auch sollten große Teile der Bevölkerung auf Propaganda einer Regierung reagieren?
Dennoch; die geringe Anzahl an Testungen gibt zu denken, nicht zuletzt mit Blick auf die Corona-Impfung. Es bleibt zu befürchten, dass die Bilanz der „Massentests” dazu führen könnte, lauter über eine Impfpflicht nachzudenken. Das aber wäre fatal. Immerhin ist die geringe Nachfrage bei den Massentests nicht zuletzt dem Unvermögen der Regierung zuzuschreiben, der es nicht gelungen ist, überzeugend zu kommunizieren. Es fehlte die Abstimmung mit den Oppositionsparteien, selbst mit dem Koalitionspartner, der ebenso von der überraschenden Ankündigung der Tests durch Bundeskanzler Sebastian Kurz in der ORF Pressestunde kalt erwischt wurde. Schlampige Kommunikation.
Wie Bundeskanzler Kurz darauf kommt, dass mit etwa zwei Drittel Testwilligen gerechnet werden könnte, erschließt sich nicht wirklich. Es ist zu vermuten, dass das Teil einer naiv angelegten Propaganda-Inszenierung war. So, genau so verspielt man Vertrauen. Und Vertrauen ist in Krisenzeiten die wichtigste Währung. Das haben Sebastian Kurz und seine Regierung immer noch nicht begriffen.
Freitag, 4 - [Impfpflicht – OÖ LH ÖVP spricht sich dafür aus]
Schon im Mai hatte LH Thomas Stelzer (ÖVP) die Impfpflicht befürwortet. Das hat er am 4. Dezember wiederholt: Wenn man leider keine ausreichende Impfrate erreichen sollte, dann muss man als Ultima Ratio auch darüber reden.
. Das scheint ganz dem Motto zu folgen: Und bist Du nicht willig, brauch ich Gewalt.
Dabei waren gerade ÖVP und FPÖ in Oberösterreich durch gravierende Fehleinschätzungen und Managementfehler verantwortlich dafür, dass sich im Land ob der Enns Corona-19 massiv ausbreitete. Zuerst wurde verharmlost, die Corona-Ampel boykottiert und mit Blick auf die Tourismuswirtschaft der Beginn der sogenannten zweiten Welle verharmlost. Warum aus Konsequenz dieses Missmanagement und dieses politischen Versagens nun Bürger*innen zur Impfung gezwungen werden sollten erschließt sich nicht wirklich. Immerhin ist dies ein massiver Eingriff in das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit. Parteien, die so agieren, verdienen das Vertrauen der Bevölkerung nicht.
Dienstag, 1 - [Massentests, aber keine PCR Test bei Hausärzten]
Die Regierung macht Propaganda mit Massentests, deren hauptsächliches Ziel psychologischer Natur ist. Die Entdeckung von versteckt Positiven ist dabei eher ein Nebeneffekt. Es geht um die Rettung der Wintersaison, um Bedienung der Tourismuswirtschaft. Alles recht und gut, wenn das als Kür dazu kommt und sich der Staat Österreich das auch leisten kann.
Andererseits werden den Praxen von Hausärzten, d.h. den Allgemeinmedizinern und ihre Teams keine kostenlosen PCR Tests zur Verfügung gestellt. Obwohl diese für die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung „systemrelevant” sind. Wöchentliche PCR Test können sich Hausarztpraxen nicht leisten. Bei einem Team von vier Mitarbeiter*innen plus behandelndem Arzt kämen so gut mindestens 500 EUR wöchentlich an Kosten zusätzlich hinzu.
Warum vernachlässigt die Regierung Kurz / Kogler (ÖVP/Grüne) das Notwendige, um sich mit einem erheblichen finanziellen Mehraufwand eine Propaganda Kampagne zu leisten. Es ist doch so, dass die Wirtschaft offenbar bei dieser Regierung vor der Gesundheit der Bevölkerung kommt, auch wenn sie durch eine solche Aktion das Gegenteil zu beweisen versucht. Täuschung.
November 20
Freitag, 27 - [Auf Biegen und Brechen - Wintertourismus]
Es reicht nicht, dass von einem Corona Hotspot Ischgl aus tausende Menschen über ganz Europa hinweg infiziert wurden. Man wollte bis zum letzten Drücker Umsätze offenbar um jeden Preis mitnehmen. Ischgl hat die Reputation des Wintertourismus in Österreich massiv geschädigt. Wer nach Österreich in Urlaub fährt ist gut beraten, nicht nur den lokalen und regionalen Statements von Politik und Wirtschaft, sondern unabhängigen Quellen zu folgen.
Nun soll sich das wiederholen? Die wirtschaftliche Bedeutung des Wintertourismus für Österreich, so hat es den Anschein, drängt Bedenken und Gefahren rund um die Gesundheit der Bevölkerung und von Gästen in den Hintergrund. Beschwichtigungen und Augenauswischereien mit Zahlen und interpretierten Fakten sollen trotz enorm hoher Inzidenzfälle, einer weitgehenden Auslastung von Intensivstationen sollen für Leichtgläubige den Anschein erwecken, als sei es weitgehend ungefährlich nach Österreich zum Skiurlaub zu fahren. Dabei liefert die Wintersaison in normalen Zeiten ca 30Tausend Skiunfälle, wovon wiederum zahlreiche in die Intensivstationen gespült werden. Hier scheint bei manchen Politikern und Wirtschaftsfunktionären das Rechnen mit Adam Riese schon große Probleme zu bereiten.
Die Politik handelt nach dem Motto: Der Zweck heiligt die Mittel. Ob sich dann wer ansteckt, liege demnach ganz in der Verantwortung der Gäste, ob sie sich regelkonform verhalten, d.h. Geld da lassen und ansonsten in den Hotels in Selbstisolation gehen, mit schönen Blick auf eine Winterlandschaft.
Sonntag, 15 - [Massentestungen]
Bundeskanzler Kurz hat in der ORF Pressestunde Covid Massentestungen nach dem Vorbild der Slowakei angekündigt. Sieht man davon ab, dass die Sinnhaftigkeit umstritten ist, melde ich Zweifel an, ob das mit den (noch) liberalen demokratischen Prinzipien in Österreich vereinbar ist. Zwar wird niemand gezwungen an dieser per Staatspropaganda verkündeten „freiwilligen” Testung teilzunehmen, allerdings müssen alle jene, die daran nicht teilnehmen wollen, mit weiteren Einschränkungen ihrer Grundrechte rechnen - Hausquarantäne. Diese Hausquarantäne wird nicht verhängt, weil es einen berechtigen Verdacht einer Covid Infektion gibt, sondern faktisch als indirekte Sanktion dafür, dass diese Menschen sich der Massentestung entziehen. Entsprechend kommt das einer Verpflichtung zu Teilnahme an der Massentestung gleich und klaren Sanktionensandrohungen bei Nichtteilnahme. Was in der Slowakei, einem Staat mit einem noch nicht wirklich bewährten und teils zweifelhaften Demokratieverständnis möglich ist, muss deshalb in einer vorgegeben funktionierenden Demokratie nicht ebenfalls zulässig sein.
Mit Klagen bis zum Verfassungsgerichtshof ist zu rechnen, für den Fall, dass Kurz seinen Kurs, Österreich in eine illiberale Demokratie zu transformieren, fortsetzen und Massentestungen verfügen wird.
Mittwoch, 11 - [Verleugnung und Verdrängung der Triage]
Es beginnt wohl schon damit, dass ein Großteil der Bevölkerung das Wort „Triage” nicht verstehen dürfte. Viele von denen, die verstehen, was „Triage” meint, sitzen dazu wohl dem Missverständnis auf, dass „Triage” nur bei Covid Patient*innen angewendet werden wird. Sie realisieren nicht, dass davon alle betroffen sein werden, die eine Versorgung auf einer Intensivstation benötigen, angefangen von Menschen mit Herzinfarkt, Schlaganfall, im Zuge erforderlicher schwieriger Operationen allgemein, letztlich auch nach Unfällen. Es sind daher nicht nur alte Menschen von der „Triage” betroffen oder besonders gefährdete Menschen, sondern auch junge Menschen. Und jung sein allein ist noch kein ausreichendes Argument, um gegenüber einem älteren Menschen in einer „Triage-Situation” bevorzugt zu werden. Es gibt viele ältere Menschen, die fitter sind als manche junge.
Mit anderen Worten, von „Triage” könnten letztlich alle betroffen sein, die in einem Notfall auf eine Intensivversorgung angewiesen sind. Nur die wenigsten machen sich das bewusst.
Montag, 9 - [Terroranschlag und der Reflex zur Einschränkung von Persönlichkeitsrechten]
Nach den jüngsten Terroranschlägen von Paris, Nizza und Wien regieren Regierungen reflexartig mit dem Versuch von Sicherheitsgesetzgebungen, die die Persönlichkeitsrechte unbescholtener Bürger massiv einschränken können, so diese in Kraft treten sollten. Am Beispiel Wien zeigt sich, dass es gar nicht erforderlich gewesen wäre, WhatsApp, Signal oder andere Messengerdienste ausspionieren zu dürfen. Es hätte genügt, wenn der Österreichische Verfassungsdienst BVT auch nur annähernd professionell gehandelt hätte. So lange teilweise stümperhaft agiert wird, solange Kompetenzstreitigkeiten und politischer HickHack dazu führen, dass terroristische Straftaten nicht frühzeitig erkannte, verhindert und aufgeklärt werden, so lange braucht man sicherlich nicht über weitere Einschränkungen von Bürgerrechten und Bürgerfreiheiten diskutieren.
Die Terrorakte sind letztlich nur billige Vorwände um zunehmend autoritäre, illiberale Demokratien mit einer Gewalt auszustatten, die in Summe eher gegen die Bürger gerichtet ist, als gegen Terroristen.
Dazu zählt bei allem Zugeständnis von Sinnhaftigkeit auch die Diskussion um eine verpflichtende Nutzung von CoronaApps und Strafandrohungen, sofern das nicht geschieht und Meldungen über einen positiven Bescheid unterlassen werden.
Mittwoch, 4 - [Was tun gegen Dummheit und Trotz]
Eine gar nicht so kleine, aber doch Minderheit will sich nicht an Regeln halten. Sie wollen auch nicht auf demokratischem Weg gegen Regeln politisch aktiv werden. Das scheint ihnen zu anstrengend zu sein. Sie wollen sich einfach nicht an all das halten, was ihnen nicht passt, was ihnen in ihrer Selbstgefälligkeit gegen den Strich geht und sie in ihrer Comfortzone stört. Solange sie selbst diejenigen sind, die durch dieses Verhalten geschädigt werden, mag das noch angehen. Aber wie geht eine Gesellschaft damit um, wenn ihr Verhalten gemeingefährdend ist? Wer aus mangelnder Einsicht keinen Atemschutz trägt, womöglich verschweigt infiziert zu sein und billigend in Kauf nimmt, andere anzustecken, wird kaum wegen Körperverletzung oder gar Totschlags beschuldigt und verurteilt werden, wenn er oder sie ihr Gegenüber mit Covid anstecken oder gar zu Tode bringen. Warum nicht? Klar Beweisführung … aber das ist eine Frage der Umsetzung. Grundsätzlicher gedacht. Warum werden Menschen, die billigend in Kauf nehmen, andere zu infizieren und ihnen so zu schaden anders behandelt, als Schläger, Dealer oder Trickser, die verschnittene Medikamente vertreiben?
Oktober 20
Freitag, 16 - [Menschen handeln nicht rational]
Die sogenannte Welle ist zurück. Viele nehmen trotz medialer Dauerinformation davon kaum Kenntnis und gar nicht so wenige kümmern sich einen Deut darum. Gerade deswegen explodieren gerade die Infektionszahlen wieder, gerät das Gesundheitssystem wieder zunehmend unter Druck.
Mich erstaunen jene, die ihren Glauben an den sogenannten „homo rationalis” noch nicht verloren haben. Dabei ist irrationales Handeln eher die Norm, als die Ausnahme.
Obendrein gehe ich davon aus, dass diejenigen, die sich nicht an die Covid Vorsichtsmaßnahmen halten diejenigen sein werden, die am lautesten toben werden, wenn sie sich infiziert haben werden und in den Krankenhäusern oder Intensivstationen kein Bett mehr bekommen, wenn sie sich in der Triage übergangen fühlen werden.
Juni 20
Sonntag, 7 - [Das Kuckuck-Spiel - als wäre COVID-19 verschwunden]
Von kleinen Kindern kennt man das ja; sie halten sich die Hände vor die Augen und dann ist das, was sie ängstigt verschwunden. Das „Kuckuck-Spiel” ist weit verbreitet. Es scheint als wären viele Erwachsene regrediert. Obwohl allen klar sein müsste, dass COVID-19 nicht einfach verschwunden ist, nur weil die Regierungen mit Blick auf die Wirtschaft im Eiltempo den Großteil der Vorsichtsmaßnahmen zurückgenommen haben. Manche scheinen COVID-19 als Fake zu nehmen oder sich für unverwundbar zu halten.
Dass (zu) viele Menschen auf BLM Demos gehen, kann ich gut nachvollziehen. Es kann nicht sein, dass Regierungen die Situation ausnutzen und glauben, so eine rechte Politik schnell durchdrücken zu können. Aber dennoch gilt, sich umsichtig zu verhalten. Menschen, die auf Demos ohne NMS Masken unterwegs sind, sind gemein-fahrlässig unterwegs.
Mai 20
Donnerstag, 14 - [Förderbetrug und dubioses Geschäftemachen in der COVID-19 Krise]
Die Süddeutsche Zeitung berichtet heute unter dem Titel Wie selbsternannte Unternehmensberater an Hilfsgeld gelangen wollen von gezieltem Missbrauch von Fördergeldern, in diesem Fall von Unternehmen in Verbindung mit Unternehmensberatern. Daneben machen immer wieder Unternehmen von sich reden, die Kurzarbeit angemeldet haben und dennoch die gemeldeten Arbeitnehmer voll arbeiten lassen und dabei vor Fälschungen der Aufzeichnungen nicht zurückschrecken. Bei nicht wenigen vom Arbeitsinspektorat überprüften Firmen kam es zu entsprechenden Beanstandungen. Hier scheinen Unternehmen mit teils hoher kriminelle Energie die teils unübersichtlichen Situationen rücksichtslos auszunutzen.
Samstag, 9 - [COVID-19 deckt unhaltbare Zustände auf - Moderne Sklavenhalterei]
In den Vereinigten Staaten wirft die COVID-19 Pandemie ein unübersehbares Schlaglicht auf die verheerenden sozialen Zustände im Lande, auf das Gesundheitssystem, das diesen Namen nicht wirklich verdient, auf herrschende Diskriminierung und Ausbeutung. In den letzten Tagen wurde bekannt, dass sich rund um Fleischfabriken Hotspots von Corona-Infektionen gebildet haben. Es zeigt sich, dass in diesen Fabriken Arbeiter*innen eng gedrängt, ohne Schutzmaßnahmen und unzureichender Hygiene bei schlechtem Lohn arbeiten und häufig als Lohnarbeiter auf Werkvertragsbasis in fragwürdigen Unterkünften zusammengepfercht sind. Deshalb konnten sich dort Hotspots entwickeln. Nun hat Donald Trump, die Fleischverarbeitungsindustrie zu einer Schlüsselinfrastruktur erklärt, da es wegen Schließung von Betrieben zu Engpässen bei der Fleischproduktion kommt. Das bedeutet, dass trotz hoher Infektionszahlen in Folge unhaltbarer Zustände in den Schlachtbetrieben und Unterkünften, diese Betriebe weiter produzieren müssen.
Auch in Deutschland haben sich COVID-19 Hotspots um Schlachtbetriebe aufgetan. Im Merkur ist zu lesen: Die Fleischindustrie droht zum „Superspreader“ in der Corona-Krise zu werden
und das hat Minister Heil auf den Plan gerufen, der von unhaltbaren Zuständen
sprach, von arbeitsrechtlichen Missständen – als seien diese Zustände und Missstände nicht seit Jahren bekannt. Das Magazin Stern titelte schon 2015: Ausbeutung in der Fleischindustrie: Moderne Sklaverei. Nun wurden einige dieser Betriebe wegen massiven Anstiegs von COVID-19 Infektionen geschlossen. Es bleibt zu hoffen, dass bis zur Wiedereröffnung die unhaltbaren Zustände und Missstände weitgehend beseitigt werden; es ist aber zu befürchten, dass sich eher wenig ändern wird.
COVID-19 hat Missstände bei Senioren-, Alten- und Pflegeheime aufgedeckt. Dort gab es massive Infektionen sowohl bei den Bewohner*innen als auch bei den Betreuer*innen. Viele davon wurden als Hotspots der Infektion eingestuft. Zu wenige Pflegekräfte, mangelnde Hygiene und unzureichende Schulungen des Pflegepersonals haben die schnelle Verbreitung von COVID-19 begünstigt.
In Österreich zeigen sich Hotspots um Leiharbeiterfirmen. Soweit bekannt wurde, kam es in Wien und Niederösterreich vor allem in Postverteilzentren zu mehr als 150 Corona-Fällen. Diese dürften, so ein Ergebnis von Tracing und verstärktem Testen, von Leiharbeiterfirmen ausgegangen sind. Hier werden vielfach Selbständige in prekären Arbeitsverhältnissen vermittelt, die, so Stadtrat Peter Hacker, versuchten, den Krankenstand zu vermeiden, um ihr Auskommen finanzieren zu können.
Donnerstag, 7 - [Unsägliches Reden von „Lost Generation”]
In der Prognoserechnung der Kepler Universität Linz für das Jahr 2020 wird auf eine, wie es heißt, alarmierende Zahl verwiesen: Die Zahl der Jugendlichen, die in Folge des COVID-19 Lockdown im österreichischen Bildungssystem den Anschluss verlieren werden, nimmt signifikant zu. Wörtlich hieß es im Ö1 Journal um Acht, dass die "Lost Generation", also die Zahl der Jugendlichen, die komplett für das Ausbildungs- und Arbeitssystem verloren sind, […] um über 40 Prozent steigen [könnte]
. — Das ist eine unsägliche Aussage, ein diskriminierender, zynischer und Menschen verachtender Sprachgebrauch und eine Menschen verachtende Politik.
Einem Teenager zu sagen, schlimmer noch, es ihm öffentlich auszurichten, dass er, der noch sechzig, siebzig Jahre Lebenszeit vor sich hat, zur „Lost Generation” gezählt wird, zur verlorenen Generation, einer Generation, die abgeschrieben wird, weil sie keine Zukunft hat. Es ist schlimmer noch als das ebenso unsägliche Gerede von der „No-Future-Generation”.
Dass viele Jugendliche Bildungsabbrecher sind, ist in erster Linie einem Versagen der Bildungspolitik zuzuschreiben, damit der herrschenden Politik und letztlich einer Gesellschaft, die so einer Politik durch ein Votum erlaubt, etwa 90Tausend Jugendliche einfach abzuschreiben, sie um ihre Zukunft zu berauben, um Lebensvisionen. Es scheint für die Politik und neoliberale Wirtschaft einfacher, diese Jugendlichen und ihre gesamte künftige Vita abzuschreiben und dem Sozialsystem zu überlassen.
Die Sprache ist verräterisch. Unsere Regierung und Wirtschaft zeigt durch sie, wes Geistes Gefolgschaft sie sind, und diese ist erbärmlich.
April 20
Donnerstag, 30 - [Der Wert des Lebens wird gegen Wirtschaft aufgewogen]
Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palme stellt in Zeiten von COVID-19 Bemühen um Schutz und Lebenserhaltung älterer Menschen in Frage. Die Art und Weise, wie wir in unserem Land Menschen schützen, […] möglicherweise dazu führt, dass eine Million Kinder in den ärmeren Ländern der Welt ihr Leben verlieren. Wir opfern also die Kinder in anderen Ländern für einen relativ kleinen Gewinn an Lebenszeit bei uns. […] In den armen Ländern der Welt führt der Shutdown, diese zu erwartende Weltwirtschaftskrise dazu, dass deren Versorgung mit dem Nötigsten nicht mehr möglich ist und dass die Kindersterblichkeit ansteigt, die dort schon hoch ist. […] Weil die entwickelten Länder, die Industrieländer eine Weltwirtschaftkrise absichtlich herbeiführen. Und das tun sie, um bei sich selbst vor allem Menschen zu schützen, die noch wenig Lebenszeit hätten […] und der Durchschnitt des Sterbealters der Coronapatienten bei 81 Jahren liegt, überall in Europa. Das ist ungefähr das normale Sterbealter.
[Das ganze Interview mit der DIE WELT finden sie auf Welt-Youtube-Kanal.]
Wenn eine Privatperson eine solche Meinung vertritt, ist das sehr bedauerlich. Wenn ein Oberbürgermeister einer deutschen Stadt diese Meinung vertritt, ist das unentschuldbar. Dazu fallen mir zwei entsetzliche Begriffe ein, die im Zusammenhang mit dem Infragestellen des Lebensschutzes älterer Menschen kursieren: „Geronto-Euthanasie” (Oliver Nachtwey) und „Senizid” (Peter Strasser)
Mittwoch, 29 - [Das Versagen der Kirchen]
Gefragt danach, ob sich die Kirchen in Österreich wahrnehmbar in Zeiten von COVID-19 zu Wort melden, musste ich gestehen, dass Kirchen weder medial noch in persönlichen Kontakten irgendeinen Gesprächsstoff geboten hätten. Sie schweigen zu den zentralen Fragen christlicher Ethik, wie das gerade im Zusammenhang mit der sogenannten „Triage” erforderlich wäre, als Leitlinien mit allgemeinen Vorgaben zur Abwägung, welche Leben im Fall begrenzter Ressourcen wertvoller seien, welche es zu retten gelte und welche man dem Tod überlassen solle, den Kliniken und Spitälern zugemutet wurden. (Lesen Sie dazu auch den Beitrag: Wenn Ethik zur Disposition steht
.)
Womöglich richten die Kirchen ihre Beiträge an die Kerngemeinden, die Sonntagsgottesdienstbesucher*innen. Öffentlich wahrnehmbar sind Kirchen in unserer Gesellschaft nicht mehr, es sei denn, es wird über Gottesdienstöffnung im Zuge der allgemeinen Öffnungsstrategie der Regierung berichtet, wie unter anderem auch über das Aufsperren in der Gastronomie, von Hotels und Nagelstudios.
Was soll man auch mit Kirchen anfangen, die offenbar nichts beizutragen haben zu einem gesellschaftlichen Diskurs, deren Meinungen zu Entsolidarisierung zwischen Staaten, aber auch innerhalb von Staaten, zwischen den Menschen niemanden mehr wirklich interessieren.
Meine Antwort: Die Kirchen spielen gesellschaftlich keine Rolle im gegenwärtigen Diskurs und Ringen um Haltung und Werte in Zeiten von COVID-19
Montag, 27 - [Strategie der Angst– und Panikmache]
Im Ö1 Morgenjournal wurde darüber berichtet, dass Bundeskanzler Kurz offenbar eine Strategie der Angstmache verfolgte. Zumindest legt das ein Sitzungsprotokoll der Regierung, das dem ORF zugespielt worden ist, nahe. Unabhängig davon waren viele Pressekonferenzen so angelegt, dass sie die Menschen in Uruhe und auch Angst versetzen sollten. So wurden immer die Szenarien von Norditalien, England oder schließlich den USA aufgezeigt, bevor dann schließlich die Information kam, dass sich die Infektionskurve in Österreich abschwäche.
Gleichzeitig wurden drastische Kontroll- und Strafmaßnahmen durchgesetzt – wie sich nun zeigt, vielfach ohne tatsächliche Rechtsgrundlage, denn die Regierung hat den Bürger*innen mehr abverlangt, als in den Verordnungen tatsächlich geregelt worden war, hat gestraft, wo es keine gesetzlich eindeutige Grundlage dafür gab.
Wenn nun Herbert Kickl, FPÖ BK Kurz als Angstmacher Kanzler bezeichnet, der mittels Angst- und Panikmache regiere, dann ist das letztlich mehr als verlogen. Denn in Bezug auf die Flüchlingskrise lieferten sich die ÖVP und FPÖ geradezu einen Wettkampf, wenn es darum ging, Schreckensszenarien zu entwerfen und Österreicher*innen einzureden, dass Flüchtlinge Kriminelle wären, Krankheiten ins Land brächten, Frauen vergewaltigten, den Rechtsstaat in Frage stellten, bis hin zur rechtsnationalen Propaganda des Bevölkerungsaustausch. Kickl zeigt, dass für seine rechtsnationale Propaganda der Zweck die Mittel rechtfertigt. Solchen Charakteren sollte in einer Demokratie keine Verantwortung anvertraut werden!
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Mein „Journal in Zeiten von COVID-19” braucht einen eigenen Stil, konzentriert wie Milch– oder Kaffeepulver. Erst beim Lesen sollten sich die Einträge entfalten, wie die Pulver beim Aufgießen mit Wasser, erst im Kopf des Lesenden sollte sich das Aroma einstellen.