Rechtsextreme AfD und ultrarechte Regierungsparteien in Israel
Omri Boehm verdanke ich eine Einsicht, die sich mir bislang nicht aufgedrängt hatte. Die rechtsextreme AfD mit ihrem Führer in Thüringen, den man gerichtlich festgestellt einen Nazi nennen darf, hätte ich nicht in Verbindung mit den ultrarechten Regierungsparteien in Israel gebracht. Ich zitiere aus Omri Boehms 2020 erschienenem Buch „Israel - Eine Utopie”:
Mein Vergleich der Regierung des jüdischen Staats mit der extrem rechten nationalistischen AfD verstörte meinen Gesprächspartner [im Rahmen eines Interviews] anscheinend mehr als die staatsstreichartigen Maßnahmen, die wir gerade in Israel erlebt hatten. Prompt fragte er nach: »Ist es nicht ein wenig extrem, die Regierung Netanyahus mit der AfD gleichzusetzen?« Meine Antwort war ein klares Nein. […] Diese Regierung ist mindestens so gefährlich für arabische Israelis und Palästinenser, wie es eine AfD-Regierung für Muslime, Flüchtlinge oder andere »Nichtdeutsche« in Deutschland wäre.A.a.O., S. 231f
Die rechtsextreme AfD und die ultrarechten Parteien in Israel treffen sich in ihrem extremen Nationalismus, die einen bezogen auf einen rein jüdischen Staat, der bereit ist, alle nicht jüdischen Bewohner*innen des Landes umzusiedeln oder zu vertreiben und der aggressiven ausländerfeindlichen Politik der AfD mit ihrem Anspruch: Deutschland den Deutschen.
Leider […] glaube ich nicht, dass Israels Regierung weniger demokratiefeindlich ist, als es eine AfD-Regierung wäre. Auch nicht weniger rassistisch.A.a.O., S. 232
Boehm zeichnet die Entwicklung eindrücklich nach, verweist darauf, dass Vertreter extrem nationalistischer Parteien teils mit nationalsozialistisch antisemitschen Wurzeln nach Yad Vashem eingeladen wurden: Victor Orban, Matteo Salvini, Jair Bolsonaro, Sebastian Kurz, Carl-Heinz Strache und andere, was diese in gewisser Weise legitimiert:
Peinlicherweise aber gewinnt der rechtsextreme Antisemitismus seine Legitimität und Prominenz oft durch seine engen Verbindungen zur israelischen Regierung.A.a.O., S. 234
Die ultraradikalen Parteien in Israel - Boehm meint, dass das auf die regierenden Parteien wie die Opposition zuträfe - wollen einen jüdischen Staat, in welchem unter „das Volk” ausschließlich „die Juden” gemeint sind, nicht die Staatsbürger*innen unabhängig von ihrem Glauben und ihrer ethnischen Zugehörigkeit. Man kommt um die Tatsache nicht herum, dass eine jüdische Demokratie deshalb eine »Regierung der Juden, durch die Juden und für die Juden« ist.
A.a.O., S. 150
Die rechtsnationale AfD in Deutschland, wie auch die österreichische FPÖ fordern ihrerseits, dass Ausländer nicht zu Deutschland oder Österreich gehören: Deutschland den Deutschen und Österreich den Österreichern. Um sich dabei gegen Muslime deutlich abzugrenzen zog beispielsweise 2009 Strache mit dem Slogan "Abendland in Christenhand" und einem Kruzifix in den Europa Wahlkampf.
Yair Netanyahu, der Sohne des israelischen Regierungschefs, twitterte ganz in diesem Ungeist, dass Europa wieder „christlich” werden sollte. Im österreichischen DerStandard hieß es dazu: Als "Poster-Boy" der deutschen Rechtspartei AfD sorgte der 28-Jährige [Yair Netanyahu] für Schlagzeilen – es ist nicht seine erste Allianz mit Rechtsaußen
.

Dieser Tweet wurde von Joachim Kuhs plakativ aufgegriffen und auf Twitter wiederum gepostet. Kuhs ist Mitglied im Haushaltsausschuss der EU, im AfD-Bundesvorstand und ist Vorsitzender der „Christen in der AfD“. Er twittert: Christentum ist Heilmittel für die Übel der globalistischen EU
. 2019 besuchte Kuhs Israel mit einer Delegation der „Juden in der AfD“, und traf sich u.a. mit Vertretern der Likud-Partei und israelischen NGOs. Er schreibt regelmäßig in deutschen und israelischen Medien zum Thema.
Boehm, Omri (2020): Israel – Eine Utopie, Berlin: Propyläen Verlag
Nachtrag:
Was ich aufschlussreich finde: In kaum einer Rezension des Buches «Israel - Eine Utopie» wird auf den Zusammenhang, den Boehm von AfD in Deutschland und der Netanyahu Regierung in Israel hergestellt hat, eingegangen.
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