Die Selbsthypostasierung der Israelischen Regierung
Israel ist zunächst ein Staat wie jeder andere auch. Es gibt kein völkerrechtliches Privileg, das dem Staat Israel gegenüber anderen völkerrechtlich anerkannten Staaten quasi Sonderrechte einräumen würde. Dass sich der Staat Israel quasi als Hypostase des auserwählten Volkes Gottes betrachtet und damit als über alle Völker erhaben, kann man als nationales Narrativ zur Kenntnis nehmen. Daraus lassen sich jedoch keine Privilegien ableiten. Ebenso wenig lässt sich daraus ein eigener, quasi maßgeschneiderter moralischer und ethischer Maßstab begründen.
Israel ist ein Staat, der säkulare Interessen verfolgt, in welchem Parteien, wie in anderen Staaten auch, nach Vorherrschaft streben und ihrer jeweiligen Klientel Vorteile verschaffen. Darunter finden sich nicht nur ultraorthodoxe, bzw. orthodoxe Juden, sondern auch viele säkularisierte Juden und nicht jüdische Bürger. Nicht anders als beispielsweise im Iran oder Saudi Arabien werden die Interessen des Staates, bzw. der herrschenden Eliten im Staat mit Verweis auf die vorherrschende Religion legitimiert.
Die Anmaßung
Der Staat Israel ist nicht der per se legitimierte Stellvertreter aller in der Shoa ermordeten und vertrieben Juden. Die in den Vernichtungslagern ermordeten Juden waren Bürger Deutschlands, Österreichs, Polens, Frankreichs, Ungarns und vieler anderer Staaten. Der Staat Israel wurde nach 1948 zu einem Zufluchtsort für Juden, die heimatlos geworden waren, weil ihre Heimat zerstört war, weil der Antisemitismus in vielen europäischen Ländern auch nach Ende des Krieges virulent blieb, weil die U.S.A. , Großbritannien, Frankreich, die Niederlande, Polen, die Sowjetunion, die Schweiz u.v.a. Überlebende der Shoa nicht aufnehmen wollten, weil sie einen sicheren Ort suchten. Die wenigsten waren Zionisten und viele darunter säkulare Juden.
Israel, dessen Staatsgebiet 1947 durch eine UN Resolution in Palästina, ein vom Völkerbund 1922 an Großbritannien übertragenen Mandatsgebiet, errichtet wurde, wurde über die Köpfe der Menschen in diesen Landstrichen und deren Rechte hinweg installiert. Die Briten haben ein Gebiet, das sie selbst faktisch besetzt hielten, abgetreten. Welche Arroganz in diesem Zusammenhang von einer legitimen Landnahme zu sprechen - völkerrechtlich, aus der Perspektive der herrschenden Mächte wohl legitim, aber ethisch betrachtet wohl kaum. Israel verdankt sich der normativen Kraft des Faktischen, gesetzt von den bestimmenden Mächten der Zeit.
Das Narrativ des von Gott zugesagten Landes
Die Wiederherstellung Israels als territoriale Einheit wird als Erfüllung biblischer Verheißungen legitimiert, als Beweis der ewigen Treue des jüdischen Gottes. Er hat seinem auserwählten Volk dieses gelobte Land zugesagt. Und auch wenn das Volk der Juden über Jahrhunderte verstreut blieb, so blieb doch dieses Land zugesagt. Daher sei die Besitznahme Palästinas rechtmäßig. - Dieses Narrativ verliert seine Relevanz, wenn man davon ausgeht, dass es diesen Gott nur für jene gibt, die an ihn glauben und sein Landversprechen niemand anderen bindet. Wie auch.
Es ist erforderlich, die religiös und ideologisch verbrämte Selbstlegitimation der faktischen Herrschaftsverhältnisse in Palästina mit der erforderlichen kritischen Distanz gegenüber zu treten und die Rechte der vertriebenen und unterdrückten Bewohner Palästinas zu würdigen.
Die vorherrschende Politik im Staat Israel verfolgt eine aggressive, rechtswidrige Politik der Vertreibung, der Landnahme und der Unterdrückung. Diese Feststellung ist nicht antisemitisch. Der Vorwurf des Antisemitismus, dem sich Kritik an der Regierung Israels fast reflexartig ausgesetzt fühlt, ist nichts anderes, als der Versuch, diese Kritik mundtot zu machen. Israel ist, aus Perpsektive enteigneter Bauern und Bewohner Palästinas ein Unrechtsstaat einer Besatzungsmacht. Und das ist nachvollziehbar. Nicht nachvollziehbar für diese Menschen ist der Hinweis, dass sie dieses Land nie besessen hätten, denn es sei immer schon das von Gott seinem auserwählten Volk zugesagte verheißene Land gewesen und geblieben. (Anschaulicher kann das Verhältnis von Religion und Macht kaum zum Ausdruck kommen.)
Außer Rede ist zu stellen, dass Gewalt, sei es seitens der Enteigneten und Vertriebenen aber auch der als Selbstverteidigung ausgegebenen Gewalt der israelischen Staatsmacht keinesfalls zu rechtfertigen ist. Das Leben ist unantastbar, auch das der Palästinenser.
Das Gebot der kritischen Distanz steht der Verantwortung der Geschichte gegenüber nicht entgegen.
Österreich sollte im Nahen Osten neutraler Vermittler bleiben
Bundeskanzler Kurz hat mit der Zusicherung, dass die Sicherheit und der Schutz Israels zur österreichischen Staatsräson gehöre, die ansonsten so häufig bemühte Neutralität aufgegeben und damit einen Beitrag zur weiteren Destabilisierung im Nahen und Mittleren Osten und zur Eskalation geliefert.
Wie gesagt, der Schutz der Bevölkerung mag angesichts der historischen Bürde Teil der Staatsräson sein, nicht jedoch die staatlichen Interessen einer Regierung. Denn mit dem Argument, Sicherheit und Schutz gewährleisten zu müssen, dürfte die Regierung in Israel auch nicht vor einen Angriffskrieg gegen den Iran zurückschrecken, ggf. mit Atomwaffen - ohne für das unterstellte Ausmaß der Bedrohung auch nur einen faktisch nachvollziehbaren Beweis zu liefern.
Bleibt zu hoffen, dass die von Kurz zugesagt Staatsräson dann nicht Folgen zeitigen wird, wenn der Nahe und Mittlere Osten im Krieg versinken. Netanjahu und Trump lassen ohnehin keine Gelegenheit aus, den Iran zu provozieren und mit gezielter Kriegshetze diesen auch betreiben. Jeder der beiden verfolgt eigene Ziele und das Versinken einer Region im Elend mag, insbesondere für Trump und seine Klientel, sogar lukrativ sein.
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Webmention von: Redaktion Besucher

Kommentar von: Sonja N. Besucher

In Essay und Diskurs im Deutschlandfunk hörte ich eine spannende Sendung. Da wurden die Juristen Tal Becker und John Dugard zum Prinzip „Recht statt Krieg“ interviewt. Was Becker von sich gibt kann man nur als zynisch bezeichnen.
Ein Ausdruck, der vielleicht einen Beitrag wert wäre: Apartheidregime Israel.
Hier ist der LInk zum Audiobeitrag: https://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2019/09/01/das_prinzip_recht_statt_krieg_22_die_juristen_tal_dlf_20190901_0930_d267fba0.mp3
https://www.npo-consulting.net/blogs/pad.php/arpartheidregime-in-israel
Unter Apartheid versteht man heute jegliche Arten von ethnisch bzw. rassistisch motivierter Segregation […], bei der die Staatsgewalt in einem Land zur Einschränkung der sozialen und bürgerlichen Rechte einer Gruppe missbraucht [wird]. Das trifft auf die herrschende Politik in Israel zweifelsohne zu.