Die Heuchelei - Offene Schulen in Zeiten von Covid
Bei der Diskussion um Schließung der Schulen geht es nicht eigentlich um Bildung. Es geht schlicht und einfach um die Befriedigung der Bedürfnisse der Wirtschaft. Mit der Schließung von Schulen als ultima ratio im Kampf gegen Covid 19 könnten Arbeitnehmer in Österreich eine Sonderbetreuungskarenz mit dem Arbeitgeber vereinbaren. In Deutschland können Eltern bei vollem Gehalt dann rechtmäßig zur Betreuung ihrer Kinder zu Hause bleiben, wenn es keine zumutbaren alternativen Betreuungsmöglichkeiten gibt. Nachvollziehbar, dass Unternehmen massiv davon betroffen wären, es schon sind.
Die politische Heuchelei einer versagenden Politik
Man kann es nur Heuchelei nennen, wenn die Politik damit argumentiert, dass die Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen durch die Schulschließungen derart beschädigt würden, dass diese nicht wieder eingeholt werden könnten, sich auf Lebenserfolg und Lebensarbeitseinkommen zwangsläufig auswirken würden. Bullshit.
Der Schaden, den die Bildungspolitik seit Jahrzehnten verursacht, von einer miesen Bildungsreform zur anderen noch nachteiligeren Bildungsreform, dieser Schaden beschädigt die Zukunft unserer Kinder und Jugendlichen. Die Duldung unfähiger, nicht kündbarer und definitiv gestellter Lehrer*innen beschädigt die Bildungschancen um ein Vielfaches. Wer hat nicht erlebt, dass einzelne - aber gar nicht so wenige - unfähige Lehrer geschützt durch ein defizitäres Bildungssystem einem den Zugang zu Mathematik, Physik oder Sprachen verleidet hätten? Wie viele Bildungsverlierer gibt es, weil die Bildungspolitik kläglich versagt und ideologische Interessen das in Kauf nehmen? Dagegen sind Schulschließungen selbst über ein ganzes Jahr hin wegen der Corona Pandemie vergleichsweise verkraftbar.
Schulen und Hochschulen haben digitale Lehre weitgehend verschlafen
An Mittelschulen und Gymnasien wie auch an Hochschulen reduzierte die Bildungspolitik digitale Lehre zumeist auf Anschaffung von Endgeräten, seien es Tablets, Laptops für alle Schüler*innen. Manche gehen sogar so weit, das bereits für die Grundschule zu fordern. Als würde der Besitz eines digitalen Endgerätes bereits einen Lernerfolg bedingen. Tut es nicht. Selbst mir der heute in vielen Fächern zur Verfügung stehenden Software tut es das nicht.
Ohne eine entsprechende pädagogische und didaktische Kompetenz bei den Lehrenden, entsprechend entwickelte und angepasste Lehrpläne und Curricula für die Nutzung und den Einsatz digitaler Medien, ist die sogenannte digitalisierte Schule, Lehren und Lernen mit digitalen Medien nichts als ein Bluff.
Jetzt so tun, als könnte man einfach den Schul- und Lehrbetrieb mehr oder weniger improvisiert als „Distance Learning”, „Online Learning” oder „Blended Learning” fortsetzen, ist eine ähnliche Heuchelei. Sowohl Lehrende als auch Schüler*innen und Studierende sind großteils heillos damit überfordert — auch was den vielfach unterschätzten zeitlichen Aufwand anbelangt.
Krise als Chance
Bildung im Wesentlichen unter dem Aspekt Humankapital zu begreifen, wie das auch in der österreichischen Bildungspolitik in Folge neoliberalen Denkens geschieht, ist ohnehin nicht zukunftsfähig. Die Krise könnte zu einer Neuorientierung führen sowohl bei Politik (wobei ich hier weniger Hoffnung habe) als auch bei Lehrenden und vor allem den jungen Menschen. Die Herausforderungen, mit welchen sich die Menschheit im Bereich Klimakrise, Überbevölkerung, Bedrohung durch Pandemien und Verteilungskonflikten konfrontiert sieht, braucht ein anderes Bildungssystem, als das, das nur darauf zielt, dem Arbeitsmarkt entsprechende Arbeitskräfte in einer wettbewerbsfähigen Qualität zuzuführen.