Bildungspolitik in Österreich - Defizite wohin man blickt
Bildungspolitik in Österreich ist eine Dauerbaustelle - und das schon seit Jahrzehnten. An allen Ecken und Enden zwickt und zwackt es und eines ist dabei unbestritten: Bei all den Basteleien (#BildungsBricolage) hat sich die Situation in Österreich kontinuierlich verschlechtert. Ein Befund, der sich aufdrängt und der zermürbt.
Sozialpolitische Rahmenbedingungen für das Hochschulstudium
In der Sache verschlechterten sich kontinuierlich die Rahmenbedingungen für ein Hochschulstudium. Es scheint, als fielen sich in Österreich nicht nur partei- und proporzpolitisch Minister_innen und Ministerien gegenseitig über die Füße. Mit allen Mitteln versucht die Politik einerseits die Akademikerquote zu steigern und erschwert andererseits durch restriktive Rahmenbedingungen den Zugang zum Hochschulstudium.
Familienbeihilfe und Studium
Die Bildungslandschaft ist unübersichtlich geworden. Der Arbeitsmarkt detto. Die Orientierungslosigkeit bei jungen Menschen, die die Hochschulreife erlangen, nimmt stetig zu. Studiengänge an Universitäten und Fachhochschulen vermehren sich wie Misteln auf Bäumen. Berufsbilder, mit welchen das Marketing der Bildungsanbieter Studien bewerben, sind oftmals spekulativ, jedenfalls häufig nicht wirklich am langfristigen Bedarf des Arbeitsmarkt ausgerichtet. Eine ordentlich bezahlte Anstellung nach Abschluss des Studiums zu bekommen wird seit Jahren immer schwieriger.
In diesem Horizont sollen Maturanten eine Studienwahl treffen, eine, die möglichst auf Anhieb passen soll. Einen tauglichen Kompass durch die neue Unübersichtlichkeit am Bildungsmarkt gibt es nicht wirklich. Zwischen tatsächlich tragfähigen, d.h. auch arbeitsmarkttauglichen Studiengängen und aufgeblasenen Studienangebots-Windbeuteln zu unterscheiden wird am schnell größer werdenden Markt der Bildungsindustrie immer mehr zur Herausforderung. Probieren ist schwierig, den Probieren wird bestraft. Bestraft wird auch, wer es bei bestimmten Studiengängen nicht schafft, einen Studienplatz zu bekommen.
In dieser Unübersichtlichkeit dürfen Studierende Ihr Studium nur zweimal innerhalb jeweils der ersten beiden Semester wechseln, so sie nicht die Familienbeihilfe verlieren wollen und damit in vielen Fällen eine wesentliche finanzielle Voraussetzung für das Studium. Das trifft nicht nur jene, die einfach das für sie passende Studium nicht finden können, sondern auch jene, die aufgrund begrenzter Studienplätze bei der Bewerbung für einen Studienplatz keinen Zulassung bekommen haben (z.B. Medizin, Psychologie, Physiotherapie etc.pp.)
Wird das Studium wieder zum Luxus?
Annette, eine 19jährige Wienerin will Psychologie studieren. Sie bewirbt sich. Trotz guter Vorbereitung hat sie wie viele andere auch keinen Studienplatz bekommen. Sie will es im kommenden Jahr wieder versuchen. Was also tun bis dahin? Jobben und damit Zeit totschlagen ist keine wirkliche Perspektive für junge Menschen, die etwas lernen wollen. Daher sucht die Maturantin ein Studienfach, das ihr nach einem Wechsel zur Psychologie helfen kann, sie qualifiziert. Sie entscheidet sich für Soziologie. Statistik braucht man in dem einen wie im anderen Studium.
Sie bewirbt sich im folgenden Jahre wieder und hat erneut Pech. Annette setzt ihr Soziologie Studium fort. Es ist nicht das, was sie eigentlich studieren will und die Schwerpunkte verlagern sich im 2. Studienjahr in eine Richtung, die ihr für Psychologie nicht mehr wirklich so hilfreich erscheinen. Nach dem 4. Semester versucht sie es erneut und bekommt ihren Studienplatz für Psychologie.
Eigentlich wollte Sie Soziologie exmatrikulieren und ganz auf Psychologie umsteigen. Das stellte sich aber als problematisch heraus. Obwohl der Umstieg ihr erster Studienwechsel ist, erfolgte dieser nicht innerhalb der Zulassungsfrist zum dritten Semester. Sie würde demnach 2 Jahre lang keine Familienbeihilfe mehr bekommen. Um das Studium finanzieren zu können, ist sie aber auf die Familienbeihilfe angewiesen. Einziger Ausweg: Ein Doppelstudium mit Soziologie als Hauptstudium. Doppelte Belastung.
Annette muss aber trotz Familienbeihilfe noch etwas dazu verdienen, um sich das Studium finanzieren zu können. Mit der Belastung eines Doppelstudiums ist das nicht wirklich möglich. Es bleibt ihr aber nicht anders übrig, mit der Konsequenz, dass sie in beiden Studien nur durchschnittliche Leistungen erbringt.
Um das in Zahlen auszudrücken. Die Bachelor Studien sind so ausgelegt, dass eine durchschnittliche Arbeitsbelastung von 40 Wochenstunden anzusetzen ist. Bei einem Doppelstudium wären das 80 Wochenstunden. Dazu Aushilfsjobs bei einem Drogeriemarkt und am Wochenende Kellnern in einer Studentenkneipe. Das sind bis zu 100 Stunden Arbeit pro Woche - und dabei sind die Stehzeiten und Fahrtzeiten zwischen den unterschiedlichen Standorten des Vorlesungsbetriebs nicht berücksichtigt. Wer einigermaßen rechnen kann - und hier reicht es nach Adam Riese zu rechnen - merkt sofort, dass das so nicht funktionieren kann.Der Studienaufwand muss minimiert werden und das wirkt sich zwangsläufig auf den Studienerfolg aus; damit in Folge aber auch auf die Aussichten, eine Anstellung zu bekommen.
Dieses Beispiel ist auf Medizin ebenso anzuwenden, wie auf Physiotherapie und zahlreiche andere Studiengänge mit Zugangsbeschränkungen. Insbesondere bei Fachhochschulen mit den stark begrenzten Studienplätzen sind solche Szenarien schnell und häufig gegeben.
Kann man nun sagen: Wer eines dieser Fächer studiert ist selbst schuld? Oder, wer die Zugangsprüfungen nicht schafft ist ohnehin nicht geeignet? Wer sich das Studium nicht leisten kann, soll es bleiben lassen oder ein Studiendarlehen aufnehmen?
Die Rahmenbedingungen verantwortet die Politik
Diese Rahmenbedingungen sind nicht vom Himmel gefallen, sondern das Ergebnis einer kurzsichtigen Politik, die einerseits Massen zum Hochschulstudium bringen will, andererseits die notwendigen Voraussetzungen im Bereich der Ressourcen nicht bereitstellen kann, einer Politik, die expandieren will ohne zu investieren, einer Politik, die im Bildungs- und Sozialbereich durch Kürzungen und Bürokratisierung enorme Hürden schafft ein Studium für einkommensschwache Haushalte finanzierbar zu machen.
Familienbeihilfe ist kein geeignetes Instrument der Studienförderung
Politik und Bürokratie haben es geschafft beim Thema Studium und Familienbeihilfe die Familienbeihilfe als spezielle Form der Studienbeihilfe, bzw. Berufsausbildungsbeihilfe auszugeben. Dabei sollte das eine mit dem anderen eigentlich nichts zu tun haben.
Im Grunde zielte die Familienbeihilfe dem Geiste nach darauf ab, Familien mit erwerbslosen Kindern zu unterstützen, auch über das 18. Lebensjahr hinaus – egal, ob diese nun studieren oder nicht. Zentrale Bedingung wäre die Erwerbslosigkeit, die zweifelsohne bei der überwiegenden Anzahl der Studierenden gegeben ist. Entsprechend hätten die Familien Anspruch auf Familienbeihilfe bis zum 24 Lebensjahr ihrer erwerbslosen Kinder.
Bei der ohnehin um zwei Jahre verkürzten Bezugsdauer der Familienbeihilfe auf nun 24 Jahre soll offenbar weiter eingespart werden. Es werden die Bedingungen verschärft und zum Umstand der Erwerbslosigkeit werden nun kafkaeske Regelungen eingeführt, ein Dschungel, in welchem sich genügend Studierende und Familien verheddern. Nicht selten kommt es zu hohen Rückzahlungsforderungen seitens des Finanzamts, die sich nicht nur auf die Familienbeihilfe beziehen, sondern auch auf einen geltend gemachten Kinderabsetzbetrag und entsprechende Freibeträge. Wenn bspw. ein Sachbearbeiter den Eindruck gewinnt, dass ein Studierender nicht wirklich ernsthaft studiert, kann dieser ihm rückwirkend die Beihilfe entziehen und die geleisteten Zahlungen zurückfordern.
Bildungspolitik in Österreich - Die Politik versagt und beharrt auf Ihrem Versagen.