Berufsbegleitendes Studium belastet Unternehmen
Studieren während der Arbeitszeit
Der Arbeitsdruck auf nebenberuflich Studierende ist nicht gering und da wird schon einmal während der Arbeitszeit für Klausuren gelernt, an Präsentationen oder Seminararbeiten gearbeitet oder an Abschlussarbeiten gefeilt. Die eigentliche Arbeit leidet darunter, denn sie bleibt liegen, wird nicht mit der erforderlichen Aufmerksamkeit erledigt oder sie wird den Arbeitskolleg*innen zugeschoben.
Solange es nur um Einzelfälle ging, war das, je nach Unternehmensressourcen, eher verkraftbar. In den letzten Jahren hat die Zahl berufsbegleitender Studierender jedoch enorm zugenommen und die Zahl der Arbeitnehmer*innen, die während ihrer Arbeitszeit private Studienaufgaben erledigen, hat sich zu einer veritablen Belastung für Unternehmen ausgewachsen. Es stellt sich die Frage, wie mit diesem Missbrauch umzugehen ist.
Rechtlich ist das keine große Herausforderung. Sofern es sich nicht um ein im Arbeitsvertrag eingeräumtes Privileg handelt oder ausdrücklich genehmigt wurde, können die Mitarbeiter*innen, die ihre privaten Angelegenheiten während der Arbeitszeit erledigen abgemahnt, gekündigt und in krassen Fällen auch entlassen werden. Immerhin geht es nicht um gelegentliche Erledigungen, sondern um systematische, ausgreifende private Tätigkeiten während der Arbeitszeit.
Aufforderungen diese privaten Tätigkeiten am Arbeitsplatz zu unterlassen, werden häufig jedoch freundlich quittiert, ohne dass sich deren Verhalten ändert. Es wird häufig nur versucht, diese privaten Tätigkeiten besser zu tarnen. Das erleben Unternehmen selbst nach ausgesprochenen Abmahnungen.
Selbstbediener oder Selbstbetrüger?
Es geht, gerade bei jüngeren Mitarbeiter*innen, weniger um die klassische Selbstbediener-Mentalität oder den gezielte Arbeitszeitbetrug. Viele sind sich dessen gar nicht bewusst oder verdrängen, dass damit der Arbeitgeber geschädigt wird. Betroffene rationalisieren ihr rechtswidriges Verhalten und reden es sich so schön. Sie argumentieren, dass sie damit nur sogenannte tote Zeiten sinnvoll nutzen, dass nicht wirklich ein Schaden für das Unternehmen entstehe, vielmehr profitiere das Unternehmen von der stetig voranschreitenden, durch das Studium zusätzlich erworbenen Kompetenz und so fort.
Die „netten Ausbeuter”
Evolutionsbiologen vom Max-Planck-Institut konnten in einem Experiment nachweisen, dass eine auf „Ausbeutung” angelegte Strategie dann besonders erfolgreich ist, wenn sich egoistisches mit kooperativem Verhalten abwechseln. Auf den Punkt gebracht: Gegen Menschen, die Kooperation und Egoismus raffiniert einsetzen, ist kein Kraut gewachsen
. Dieses euphemistisch als „smart” bezeichnete Verhalten ist immer häufiger festzustellen. Ein gefährlicher Trend, der nicht zu unterschätzen ist. Nachdem sich die „netten Ausbeuter” überwiegend kooperativ verhalten, fällt es Arbeitskolleg*innen oftmals schwer, sich gegen die egoistischen Verhaltensweisen zur Wehr zu setzen. Das Experiment hat nachgewiesen, dass ein Verhältnis von 40 Prozent egoistischem Verhalten gegenüber 60 Prozent kooperativem Verhalten am erfolgreichsten für „nette Ausbeuter” ist. Gar nicht so wenige betreiben diese Strategie nicht gezielt und taktisch. Sie haben sozial gelernt, dass sie mit diesem Verhalten am besten voran kommen und folgen dieser Erfahrung.
Zero Tolerance bei Arbeitszeitverstößen und bei „netten Ausbeutern”
Was bei jenen, die die Arbeitszeit nutzen, um ihr Studium voran treiben zu können und die sich der Strategie der „netten Ausbeuter” bedienen, häufig auf der Strecke bleibt, ist das Commitment dem Unternehmen gegenüber. Zumeist erhoffen sich nebenberufliche Studierende durch einen Studienabschluss einen Karriereschritt. Sie beabsichtigen nicht, mit einer höheren Qualifikation auf demselben Arbeitsplatz mit demselben Gehalt weiter zu arbeiten. Ist eine berufliche Verbesserung im Unternehmen nicht möglich, dann verlassen diese Mitarbeiter*innen das Unternehmen.
Gewissermaßen dienen Unternehmen, die es dulden, dass berufsbegleitend studierende Arbeitnehmer*innen ohne Absprache Arbeitszeit für private Ziele aufzuwenden, als Biotop. Es braucht nicht erwähnt zu werden, dass Arbeitskolleg*innen früher oder später merken, wenn kooperatives Verhalten instrumentalisiert wird, um so erfolgreicher egoistische Ziele verfolgen zu können. Das führt bereits mittelfristig zu einer Verschlechterung des Arbeitsklimas und macht zudem Schule. Geschädigt wird das Unternehmen.
Daher kann sowohl der Personalentwicklung als auch der Unternehmensführung nur empfohlen werden, „nette Ausbeuter” im Auge zu behalten, ihr Verhalten gegebenenfalls zu sanktionieren oder diese zu kündigen. Geschieht dies nicht, dann werden über kurz oder lang zunehmend Mitarbeiter*innen dieselbe Strategie anwenden, allein schon deshalb, um nicht als die Dummen, Steigbügelhalter für andere zu sein.