Eine klare Rechnung.
Die Vorgaben:
Um ein Bachelor Studium zu absolvieren muss die Studierende lt Bolognaprozess mindestens 180 ECTS (European Credit Transfer System) erfolgreich nachweisen können.
- Bei einer Studiendauer von 6 Semestern wären das 30 ECTS je Semester.
- Ein ECTS ist mit einem Aufwand von mindestens 25 Lehreinheiten verknüpft.
- Das ergibt eine Stundenleistung von durchschnittlich 750 Lehreinheiten/Semester.
- Die reine Vorlesungszeit je Semester beläuft sich auf rund 4 Monate.
Innerhalb dieser Zeit werden die Lehrveranstaltungen abgehalten und die entsprechend notwendigen Prüfungen abgelegt.
Der konkrete enorme zeitliche Aufwand
Rechnet man den Studienaufwand pro Woche durch, so ergibt sich eine Arbeitsbelastung durch das Studium im Umfang von rund 47 Lerneinheiten, was bei 45 Minuten je Lerneinheit eine Belastung von 35,25 Stunden ausmacht.
Bei einer vollen Arbeitsbelastung im Beruf kaum leistbar
Bei einem Beschäftigungsumfang von 40 Stunden und einer Studienbelastung von weiteren 35 Stunden ergäbe sich in Summe eine Arbeitsbelastung von 75 Stunden pro Woche. Hier sind Fahrzeiten ebenso wenig berücksichtigt, wie „Stehzeiten”, Mittagszeiten etc. Das macht einen durchschnittlichen Arbeitstag von rund 12,5 Std je Werktag, durchgerechnet auf sechs Tage in der Woche.
Nehmen wir an, dass pro Arbeitstag eine An- und Rückreise zur Arbeitsstelle bzw. zur Hohschule im Umfang von 1,5 Std hinzuzurechnen ist, Mittagszeiten und Pausen ebenfalls einbezogen gehören, dann hieße das, dass berufstätige Studierende mit Arbeit und Studium an sechs Tagen in der Woche jeweils mit gut 15 Std. belastet sind. Wie gesagt, das ist ein Durchschnittswert. Da sich die Studienbelastung nicht gleichmäßig auf alle Semester verteilt, bedeutet dies, dass es Semester mit einer noch höheren Belastung geben kann.
Nun haben viele berufsbegleitend Studierende bereits Familie, und müssen sich nicht selten auch noch um ein Haus kümmern.
Bei einzelnen kommt hinzu, dass Sie in ihrer Arbeit Überstunden leisten müssen und dann teilweise bis zu 50 Std pro Woche im Unternehmen arbeiten.
Fazit
Alles in allem: Genau betrachtet ist die Belastung so enorm, dass nur hoch Motivierte mit hoher Begabung und effektiver sowie effizienter Organisation wirklich Chancen haben, in diesem vollen Umfang erfolgreich ein Studium zu absolvieren und im Unternehmen selbst auch die ganze Arbeitskraft einzusetzen.
Erstes Fazit: Ein Studium im Sinne des Bolognaprozesses ist Vollzeitarbeit.
Nachdem an Fachhochschulen Studierende kaum Möglichkeiten haben die Studiendauer zu verlängern, um damit die Workload günstiger verteilen zu können, bedeutet für sie ein nebenberufliches Studium im wesentlichen für zumindest 6 Semester zwei Volljobs parallel leisten zu müssen.
Zweites Fazit: Die Studienanforderungen werden pragmatisch abgesenkt
Da dies im Regelfall nicht leistbar ist, wäre folgerichtig davon auszugehen, dass die Studierendenzahl eher gering sein würde, bzw. die Zahl von Studienabbrechern entsprechend hoch und ebenso die Zahl jener, die die jeweiligen Leistungsziele nicht erreichen. Das würde aber bedeuten, dass die Studienzahlen berufsbegleitend Studierender sehr gering wären. Das trifft aber nicht zu. Im Gegenteil. Die Studierendenzahl berufsbegleitend Studierender nimmt zu.
Drittes Fazit: Defizitäre Studienqualifikation
Das ist damit zu erklären, dass die Anforderungen in der Praxis auf ein lebbares
Maß reduziert wird. Unter der Reduzierung der Studienanforderung im konkreten Studienalltag leidet jedoch zwangsläufig die Qualität der Ausbildung. Meiner Erfahrung nach liegt der durchschnittliche Aufwand bei ca 50-60 Prozent der vorgegebenen ECTS. Es braucht nicht betont werden, dass dabei die Studienqualität weitgehend auf der Strecke bleibt.
Ich beschäftige sowohl HTL und HAK Abgänger als auch Abgänger von Bachelor und Master Studiengängen. Ganz ehrlich gesagt: Die meisten Studienabgänger haben nicht wirklich viel Ahnung, aber sie können ganz schön Wind machen.
Ich hoffe, dass das Ausbildungsniveau an den HTL und HAK wieder angehoben wird. Das hat man abgewertet, um die Fachhochschulen aufzuwerten. Klappt aber nicht.
Ich werde weiter meine MitarbeiterInnen bevorzugt unter HTL und HAK Absolventen suchen und mich ansonsten an klassische Universitätsabgänger halten, die bei Leuten mit entsprechender Reputation studiert haben.