Immer wieder treffe ich auf StudentInnen, die Lehrinhalten, selbst wenn diese neu für sie sind, mit einer vorgefassten Meinung begegnen. Dieser Umstand ist für sich schon irritierend. Denn wozu studiert man, wenn man sich neuen Lehrinhalten gegenüber verschlossen gibt und auf Vorurteilen beharrt - nach dem Motto: in den ersten sechs Sekunden bildet sich das Urteil. Noch irritierender ist es, dass einige davon das mit einer Überzeugtheit tun, deren Grund allerdings völlig verborgen bleibt.
Akademisches Studium bedeutet für mich nicht nur das Erlernen von Wissen und Fertigkeiten. Erfolgreich ist akademisches Studium, wenn sich Haltung und Fähigkeiten ausbilden. Im Zentrum steht sicherlich die Einsicht, dass ein Urteil etwas ist, zu dem man erst sehr spät und nach reichlicher Überlegung, Recherche etc. kommt. Und auch das mit dem Vorbehalt, dass ein Urteil nur so lange richtig sein mag, solange es nicht von anderen widerlegt wird. Jedes Urteil ist so in gewissem Maß ein vorläufiges.
Dies mag bei einigen Bachelor Abgängern noch kaum ins Bewusstsein dringen. Beim Master sollte schon ein wenig mehr Einsicht bestehen. Wer promoviert und dabei immer noch die Naivität besitzt, dass sich die Dinge seinem leichten Zugriff (wenngleich vielleicht auch mit großer Mühe erarbeitet) nicht entziehen können und sich einem Urteil zu beugen hätten, mag bestenfalls einen Titel ernten, mehr nicht. Akademisch gebildet sein meint mehr.
Frage ist, wie eine Haltung vermittelt werden kann, ohne dabei als moralisierend, altmodisch etc. erlebt zu werden. Haltung und pädagogischer Eros sind mir ebenso wichtig, wie die Vermittlung von fundiertem Wissen.