Studierendenleistung – Was hat sich über die Jahre verändert? (Forts.)
In einem vorangegangenen Beitrag habe ich über meine Erfahrungen bzgl. Veränderungen im Kommunikations- und Lernverhalten bei Vollzeitstudierenden
geschrieben. Im diesem Beitrag beziehe ich mich auf Veränderungen im Kommunikations- und Lernverhalten bei berufsbegleitend Studierenden. Es geht dabei um Veränderungen, zumindest auffällige Beobachtung – gewissermaßen als „teaching performance learned”.
Im Unterschied zu Vollzeitstudierenden ist bei berufsbegleitend Studierenden der Unterschied zwischen Studierenden mit sehr guten Leistungen und solchen mit sehr schwachen Leistungen deutlicher ausgeprägt. Über die Jahre hat sich das Leistungsniveau trotz bemerkenswerter Einzelleistungen durchschnittlich spürbar verschlechtert. | |
In den letzten Jahren haben sich die berufsbegleitend Studierenden verjüngt, d.h. der Altersunterschied zu Vollzeitstudierenden ist nicht mehr so ohne weiteres auszumachen. Es gibt weniger Studierende mit längerer Berufserfahrung und mit Berufskarrieren. | |
Der Anteil Selbständiger (EPU, Micro-Unternehmer) nimmt zu. | |
Das durchschnittliche Leistungsniveau von Studierenden, die via Studienberechtigungsprüfung die Hochschulreife erlangten, sank spürbar. | |
Die Aufmerksamkeits- bzw. Konzentrationsspanne hat auch bei berufsbegleitend Studierenden deutlich abgenommen. (vgl. ‚Digitaler Lifestyle’ fordert Tribut) | |
Die Lernhaltung ist überwiegend pragmatisch. Studieren wird zunehmend auf Lernen verkürzt, was u.a. wohl Folge hoher curricularer Zumutungen sein dürfte und Mehrfachbelastungen durch Studium und Arbeit geschuldet ist. | |
Sie sind gut über Facebook und WhatsApp Gruppen vernetzt, arbeitsteilig und Austausch orientiert, sowohl innerhalb der Gruppen und des Kurses, als auch mit Kommiliton*innen anderer Kurse eines Jahrgangs und mit Kommiliton*innen vorangehender Jahrgänge. | |
Teilaspekte einer Aufgabe müssen zunehmend kenntlich gemacht werden, am besten übersichtlich in Listen dargestellt. Die Fähigkeit komplexere Aufgaben selbst zu strukturieren und ‚aufzubrechen’ nimmt ab. | |
Werden Aufgaben nicht verstanden, so gehen zunehmend häufiger auch berufsbegleitend Studierende davon aus, dass das in erster Linie ein Problem des Lehrenden sei, der Aufgaben nicht klar formuliert hat. Es gibt eine deutliche Abnahme der Frustrationstoleranz, sich mit nicht auf Anhieb verständlichen Sachverhalten auseinanderzusetzen; zunehmendes Vermeidungsverhalten gegenüber komplexeren Sachverhalten, Problem- und Aufgabenstellungen. | |
Weiterführende Studieninhalte, wie bspw. Pflichtlektüren, werden i.d.R. nur dann entsprechend erarbeitet, wenn diese geprüft werden. Gibt es dazu keine Prüfungen werden die Inhalte nicht, bzw. sehr unzureichend studiert. Eigeninitiativen, Themenbereiche aus eigenem Interesse selbständig zu vertiefen, beschränken sich auf ganz wenige Ausnahmen. | |
Die Ausdrucksfähigkeit schwindet. Rechtschreib- und Grammatikfehler häufen sich. Vor allem die Fähigkeit, systematisch und strukturiert Themen zu erarbeiten, überfordert zunehmend mehr Studierende. | |
Auch bei berufsbegleitend Studierenden zeigt sich gegenüber früheren Jahren deutlich häufiger Selbstüberschätzung bzgl. Wissen und Kompetenz. (Vgl. Unbewusste Inkompetenz, Dunning-Kruger-Effekt). Im Vordergrund steht die Erwartung, für Arbeitsleistungen Bestätigung und Anerkennung zu erhalten. Hinweise auf Mängel, Fehler etc. werden deutlicher abgelehnt. Dabei wird Kritik gerne als nicht wertschätzender Umgang quittiert. |
Editionsgeschichte
Eingetragen von Conrad Lienhardt am 21.08.2017 in Bildungspolitik – Last touched: 24.09.2019 – Contents updated: 24.09.20192 Kommentare
Kommentar von: Gerold Besucher

Kommentar von: Gernot Baumschlager Besucher

Sehe ich genauso. Besonders problematisch sehe ich das Leistungsniveau bei denen, die keine Matura haben, also bei denjenigen mit Studienberechtigungsprüfung.
Ich frage mich, warum man mit Zentralmatura so einen Aufwand betreibt, wenn es dann Mittel und Wege an die Hochschulen gibt, ohne auch nur annähernd Matura Niveau erreicht zu haben.
Ich kann das nur bestätigen - leider. Vielen Dank für die Zusammenfassung Ihrer Erfahrungen, auch mit den Vollzeitstudierenden!