Fehlentwicklungen beim Betriebspraktikum
Das Pflichtpraktikum zählt vor allem an Fachhochschulen insbesondere in Bachelor Studiengängen zum fixen Bestandteil des Curriculums. In Management orientierten Studiengänge sind das die sogenannten Betriebs- bzw. Berufspraktika, die vor allem Vollzeitstudierende verpflichtend absolvieren müssen. Vorauszuschicken ist, dass die Anforderungen, die an ein Pflichtpraktikum gestellt werden, von Studiengang zu Studiengang unterschiedlich ausgeprägt sind und daher die folgenden Erfahrungen nicht verallgemeinert werden können.
Unter den knapp 670 FH Studiengängen beschäftigen sich immerhin 190 mit Betriebswirtschaft im weiteren und Management oder Marketing im engeren Sinn. Es gibt also eine nicht geringe Zahl an Studierenden, die jährlich geeignete Unternehmen für das Pflichtpraktikum suchen - und das ist nicht immer ganz einfach. Es heißt ein facheinschlägiges
Unternehmen zu finden, dass sich bereit erklärt, einen Praktikanten, eine Praktikantin für drei bis vier Monate zu beschäftigen.
Problem 1: Unternehmensauswahl
Attraktive Unternehmen reißen sich nicht um Praktikant*innen, sofern diese keine wirklich überzeugende Leistungsbilanz vorweisen können und das Unternehmen daran interessiert ist, auch über Praktika spätere Mitarbeiter*innen anzuwerben und zu rekrutieren. Praktikant*innen werden in diesen Unternehmen handverlesen. Viele Unternehmen muten sich Praktikant*innen nicht zu. Anderen fehlen die Ressourcen, um eine Betreuung der Praktikant*innen leisten zu können, wie es das Betriebs- bzw. Berufspraktikum eigentlich erfordern würde.
Es gibt selbstverständlich auch Unternehmen, die sich um die Praktikant*innen kümmern, sie gut einweisen und begleiten, sie fordern und unterstützen. Das sind aber nicht viele, zu wenige für die vielen Bewerber*innen.
Obwohl gerade für angehende Manager*innen Auslandserfahrung sinnvoll und empfehlenswert wäre, werden überwiegend Betriebe im Inland und hier zumeist im regionalem Umfeld gesucht. Begründet wird das häufig damit, dass es praktisch sei und ohne zusätzlichen finanziellen Aufwand bewältigt werden könne. Das schränkt die Auswahl geeigneter Unternehmen weiter ein.
Zumindest einmal sollten Studierende die Möglichkeit haben, in einem größeren Unternehmen Erfahrungen zu sammeln. Dafür böte das Berufs-bzw. Betriebspraktikum eine Möglichkeit. Einblick in Abläufe eines größeren, wenn nicht großen Unternehmens zu gewinnen und komplexere Geschäftsprozesse kennenzulernen sollte das Ziel sein.
Beispiele problematischer Unternehmenswahl
Zunächst konnte ich es nicht glauben. Ich wurde vom Studiengang gebeten, ein Praktikum zu betreuen, dass ein Student im eigenen Ein-Personen-Unternehmen absolvieren wollte. In diesem Unternehmen wird mit einem einzigen Produkt gehandelt. Mit anderen Worten: hier wollte tatsächlich ein Student bei sich selbst ein Praktikum machen und ich sollte ihn dabei begleiten. Es bleibt mir ein Rätsel, wie ein solches Praktikumsvorhaben befürwortet werden konnte.
Ein fast ähnlich gelagerter Fall: Ich wurde gebeten, einen Studenten zu begleiten, der sein Berufspraktikum in einem Mikrounternehmen absolvieren wollte, das einem Fußballkameraden gehört, der in derselben lokalen Fußballmannschaft spielt und in welchem er ohnehin bereits mitarbeitet. Zwei Fliegen mit einer Klappe gewissermaßen.
Durchaus problematisch sind m.E. auch Praktika, die quasi im Home Office absolviert werden, weil keine Arbeitsplätze bereitgestellt werden können. Selbst bei guter Betreuung fehlt hier die Erfahrung in einem großen, zumindest größeren und differenzierten Unternehmen zu arbeiten.
Problem 2: Mangelnde Betreuung, Unter- oder Überforderung im Unternehmen
Es gibt Unternehmen, die wenig Unterschied zwischen Praktikant*innen, die im Rahmen einer Ausbildung ihr Praktikum absolvieren und Ferialpraktikant*innen machen, die in den Ferien schnell Geld verdienen wollen.
Was daher gar nicht so selten vorkommt ist, dass Praktikant*innen in ihrem Praktikum nicht entsprechend gefordert und gefördert werden. So hörte ich immer wieder Klagen, wonach Studierende sich unterfordert fühlten und wie Ferialpraktikanten eher monotone Aufgaben zu erledigen hatten.
Mittlerweile gibt es angesichts der großen Nachfrage nach Praktikumsstellen bereits Geschäftsmodelle, die sich das zu nutze machen. Da arbeiten in einem Unternehmen mehr Praktikant*innen als fest Angestellte. Die Praktikant*innen verdienen dabei oftmals sehr wenig und werden als billige Arbeitskräfte mit Studienhintergrund letztlich ausgebeutet.
Problem 3: Beurteilung der Leistungen
Praktika angesichts der großen Unterschiede bezüglich der Qualität der Praktikumsleistungen fair zu beurteilen, ist kaum möglich. Zum einen geben die Unternehmen i.d.R. sehr gute Noten, auch wenn das Praktikum völlig anspruchslos verlaufen ist. Zum anderen können Betreuer in ihrer Beurteilung nicht allzu sehr von der Unternehmensbeurteilung abweichen, weil ihnen dazu oftmals der genaue Einblick fehlt. Zudem gibt es dann fallweise Erklärungsbedarf gegenüber der Studiengangsleitung, wenn die Note des Betreuers schlechter als eine zwei ausfällt.
So passiert es, dass Praktikant*innen, die in einem anspruchsvollen Praktikum gefordert werden und dort sehr gute Leistungen erbringen, letztlich die gleiche Beurteilung erhalten, wie andere, deren Praktikum anspruchslos war und dies kaum einen Beitrag zum Kompetenzerwerb brachte. Vielfach sind Noten angesichts der für ein Praktikum verrechneten ECTS nicht nachvollziehbar.
Fazit
Das Spektrum an Fehlentwicklungen beim Berufs- bzw. Betriebspraktikum ist groß und vieles wird m.E. wohl nicht den Anforderungen einer Hochschulausbildung gerecht. Was es hier bräuchte, ist eine effektive Qualitätssicherung.
1 Kommentar
Kommentar von: Christian Besucher

Ich habe sehr unterschiedliche Erfahrungen mit PraktikantInnnen gemacht. Manchmal war ich erschrocken über mangelnde Qualifikation, nicht nur Fachqualifikation. Es mangelt immer häufiger an Kulturtechniken wie der Fähigkeit fehlerfrei Texte zu verfassen. Wir vermeiden mittlerweile, dass sie direkt Texte veröffentlichen, ohne dass diese nicht gegengelesen werden, auch bei Posts auf Facebook, besonders aber bei Korrespondenzen. Das ist sehr aufwendig. Wir wählen mittlerweile auch danach aus, von welcher Fachhochschule, bzw. welchem Studiengang die Bewerber kommen. Die Niveaus sind teilweise sehr unterschiedlich.