Studierendenleistung – Was hat sich über die Jahre verändert?
Zum Ende von Lehrveranstaltungen zwingen Studiencurricula zur Beurteilung der Studierendenleistungen. Spätestens an diesem Punkt kann man der Frage nicht mehr entkommen, ob die Lehrveranstaltungsziele erfüllt werden konnten oder nicht, ob das erhoffte Niveau der Lehrveranstaltung erreicht werden konnte oder nicht, ob man selbst mit dem Erreichten zufrieden sein kann oder nicht.
Es bleibt auch nicht aus, dass man die Ergebnisse mit vorangegangenen Jahrgängen und anderen Lehrveranstaltungen vergleicht. Dabei zeichnet sich schon länger etwas ab, was ich nicht als Trend, aber zumindest als auffällige Beobachtung notieren möchte – gewissermaßen als „teaching performance learned”.
Veränderung im Kommunikations- und Lernverhalten bei Vollzeitstudierenden
Die folgenden, auffälligen Entwicklungen beziehen sich in erster Linie auf Vollzeitstudierende, also jene, die in der Regel direkt von der Mittelschule oder zeitlich sehr nahe davon ein Hochschulstudium aufgenommen haben. Vorausschicken möchte ich, dass es unabhängig von der durchschnittlich wenig erfreulichen Entwicklung beachtliche Einzelleistungen gegeben hat.
Die Aufmerksamkeits- bzw. Konzentrationsspanne hat bei Studierenden deutlich abgenommen. (vgl. ‚Digitaler Lifestyle’ fordert Tribut) | |
Aufgabenstellungen müssen zunehmend einfacher formuliert werden, damit sie verstanden werden. Parataktischer Satzbau. Am besten wenig Fließtext, eher Checklisten. Genaue, zumeist quantitative Angaben zum Bearbeitungsumfang der Lösungen werden häufiger nachgefragt. | |
Teilaspekte einer Aufgabe müssen zunehmend kenntlich gemacht werden, am besten übersichtlich in Listen dargestellt. Die Fähigkeit komplexere Aufgaben selbst zu strukturieren und ‚aufzubrechen’ nimmt ab. | |
Werden Aufgaben nicht verstanden, so gehen zunehmend häufiger Studierende davon aus, dass das in erster Linie ein Problem des Lehrenden sei, der Aufgaben nicht klar formuliert hat. Es gibt eine deutliche Abnahme der Frustrationstoleranz, sich mit nicht auf Anhieb verständlichen Sachverhalten auseinanderzusetzen; zunehmendes Vermeidungsverhalten gegenüber komplexeren Sachverhalten, Problem- und Aufgabenstellungen. | |
Weiterführende Studieninhalte, wie bspw. Pflichtlektüren, werden i.d.R. nur dann entsprechend erarbeitet, wenn diese geprüft werden. Gibt es dazu keine Prüfungen werden die Inhalte nicht, bzw. sehr unzureichend studiert. Eigeninitiativen, Themenbereiche aus eigenem Interesse selbständig zu vertiefen, sind sehr rar geworden. | |
Die Ausdrucksfähigkeit schwindet. Rechtschreib- und Grammatikfehler häufen sich. Vor allem die Fähigkeit, systematisch und strukturiert Themen zu erarbeiten, überfordert zunehmend mehr Studierende. |
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Einerseits hat schulisch angepasstes Verhalten deutlich zugenommen, andererseits zeigt sich signifikant häufiger eine Selbstüberschätzung bzgl. Wissen und Kompetenz. (Vgl. Unbewusste Inkompetenz, Dunning-Kruger-Effekt) | |
Die Bereitschaft, eigene Positionen zur Diskussion zu stellen und kritisch auch Lehrinhalte zu hinterfragen, hat stark abgenommen. Kritik wird allenfalls untereinander ausgetauscht, bzw. in der Evaluation anonym vorgebracht. Dies korreliert m. E. mit einem schulisch angepassten Verhalten während der Lehrveranstaltungen. |
Der Frage, wie sich die Situation bei berufsbegleitend Studierenden über die Jahre in meinem Umfeld verändert hat, werde ich in einem eigenen Beitrag nachgehen. Siehe Studierendenleistung – Was hat sich über die Jahre verändert? (Forts.)
Conrad Lienhardt
2 Kommentare
Kommentar von: Conrad Lienhardt Mitglied

Kommentar von: Florian W Besucher

Hallo Herr Lienhardt,
interessanter Beitrag, ähnliches beobachte ich im beruflichen Umfeld.
Hinweis: Im Titel und im ersten Absatz haben sich Fehler eingeschlichen.
Schöne Grüße,
Florian W
@Florian W. Vielen Dank für die Fehlerhinweise ;). Vielen Dank auch für das Feedback, dass Sie ähnliches im beruflichen Umfeld beobachten. Das ist sehr interessant. Ich recherchiere - soweit es meine Zeit erlaubt - wie Unternehmen mit dieser Situation umgehen und wie im Assessment des Recruiting-Prozesses darauf reagiert wird. Da gibt es insbesondere bei großen Unternehmen, insbesondere in Deutschland spannende Entwicklungen.
Wie reagiert Ihr Unternehmen auf diese Herausforderung?
Viele Grüße,
Conrad Lienhardt
PS: Zum Thema Bildungspolitik finden Sie in einem anderen Blog weitere Beiträge:
http://www.npo-consulting.net/blogs/pad.php/bildung/