Ist Intelligenz noch eine Voraussetzung für ein Hochschulstudium?
Das Problem mit fragwürdigen akademischen Graden
Dass Leistungsniveaus rapide sinken und akademische Grade eine beachtlichen Inflation erfahren, ist nichts Neues. (Siehe dazu Leistungs- und Noteninflation
) Mit der Herausbildung der Bildungsindustrie wurden akademische Abschlüsse zu einem Produkt. Öffentliche und private Hochschulen sowie private Bildungsanbieter ohne Hochschulstatus aber mit lukrativen Joint Ventures mit Hochschulen, die das Graduierungsrecht besitzen, haben sich in den vergangenen Jahren gut entwickelt.
Anteil intelligenter Menschen bleibt konstant
Nun ist es so, dass in einer Gesellschaft der Anteil überdurchschnittlich intelligenter Menschen konstant bleibt. Für ein Hochschulstudium sollte man annehmen, dass zumindest ein Intelligenzquotient von 115 vorausgesetzt werden müsste, um die erforderlichen Leistungsanforderungen eines Hochschulstudium erfolgreich erfüllen zu können. Danach erfüllen 68 Prozent der Altersgruppe nicht diese Voraussetzung.
Das hieße, dass die Zahl der Studienbewerber mit ausreichender Hochschulreife einigermaßen konstant bleiben müsste, insbesondere wenn die demografische Entwicklung keine signifikante Zunahme entsprechender Alterskohorten ausweist, was nicht der Fall ist. Laut Statistik Austria hat sich die Akademikerzahl im Zehnjahresabstand um 70 Prozent erhöht.
Der stark steigende Anteil Jugendlicher, die Mittelschulen und Hochschulen besuchen und damit auch der Zuwachs an Akademikern korreliert demnach nicht mit der Intelligenzverteilung.
Der Zustrom zu höherer formaler Bildung ist politisch bedingt
Der Umstand, dass immer mehr Jugendliche Zugang zur tertiären Ausbildung erhalten, ist demnach nicht Folge eines zunehmenden Anteils Begabter und Hochbegabter, sondern eine politische Entscheidung. Der Preis: Senkung des Anspruchsniveaus mit der Folge einer Senkung des Leistungsniveaus. Das ist dem überwiegenden Teil der Entscheidungsträger in der Bildungspolitik bewusst.
Die Argumentation, dass der Zugang zu formaler Bildung sozial gefiltert sei, dürfte seit den 70er Jahren nicht mehr schlüssig zu begründen sein. Es gibt ein – zugegebenermaßen reformbedürftiges – Förder- und Beihilfewesen. Der Umstand, dass in sozial schwächeren Familien der durchschnittliche formale Bildungsstand unterdurchschnittlich zu Gesamtbevölkerung ist, dass Bildung dort vielfach keinen besonderen Stellenwert genießt, bedeutet nicht zwangsläufig, dass viele Begabte durch diesen Kontext behindert wären und die Gesellschaft durch niedrige Eintrittsbarrieren in höhere formale Bildungswege kompensieren müsste.
Es ist unbestritten, dass Familien, in welchen Eltern und Großeltern selbst keinen Wert auf Bildung legen, umgangssprachlich ungebildet sind, schlechte Voraussetzungen für Kinder bieten, diesem Bildungsmilieu zu entkommen. Das schaffen dann wohl nur solche Kinder mit ausgesprochen hoher Begabung und ausgeprägtem Willen. Während es in bürgerlichen Kontexten auch weniger begabte Kinder aufgrund von Förderungen im Elternhaus und entsprechender Vernetzung schaffen, Zugang zu höherer formaler Bildung zu bekommen.
Die Konsequenz daraus kann aber nicht sein, dass man die Standards für formale Bildung soweit absenkt, dass auch Minderbegabte gleich aus welchen sozialen Schichten Matura und Studienabschluss schaffen. Das wäre ein fataler politischer und gesellschaftlicher Fehler. Leider zeichnet sich schon seit einigen Jahren genau dieses Szenario ab.
Der Wettbewerb von Bildungsanbietern verschärft die Leistungsinflation
Seit Umsetzung der Bologna Reform werden allenthalben Studiengänge für Bachelor und Master auf den Bildungsmarkt geworfen, in der Hoffnung das diese speziellen Bildungsprodukte genügend Interessenten finden – Käufer bleibt zunächst der Staat, der das Bildungssystem im Wesentlichen finanziert. Insbesondere Fachhochschulen, aber auch Universitäten zeigen sich als geschickte Marketer.
Im Fachhochschulbereich kommt hinzu, dass sich diese Bildungseinrichtungen quasi über Kopfgeld finanzieren. Maxime bei der Auswahl und Zulassung von Studienbewerbern ist nicht ausschließlich die Qualifikation, sondern vor allem die Auslastung des Angebots. Erst wenn die Nachfrage deutlich die Zahl der Studiengangsplätze übersteigt, kommen angemessene Auswahlverfahren zum Zuge. Damit ist jedoch noch nicht gesagt, ob so ein erforderliches Qualifikationsniveau erreicht wird, das man an ein Hochschulstudium anlegen müsste.
Hohe Standards bei Matura, geringe bei Studienberechtigungen
Die Zahl an Studierenden, vor allem im Fachhochschulbereich und hier insbesondere bei berufsbegleitend Studierenden, die über eine Studienberechtigungsprüfung Zugang zum Hochschulstudium bekommen haben, steigt. Das Bildungsniveau liegt sehr häufig allerdings deutlich unter dem von Maturanten. Deutlich wird dies vor allem im Bereich Fremdsprachen. Fachliteratur zur Prüfungsvorbereitung in Englisch führt da sehr schnell zu heilloser Überforderung.