Hochschulen: Anforderungen und Noten auf den Prüfstand
Bei Hochschulen und Hochschulstudiengängen gibt es bezüglich Prüfungs- und Leistungsniveaus sowie der Praxis der Notengebung eklatante Unterschiede. Mit anderen Worten: eine Leistung, die in einem Studiengang als hervorragend etikettiert wird, kann in einem anderen, vergleichbaren Studiengang gerade noch ausreichen. Ein durchschnittlicher Studienerfolg an einem Studiengang ist nicht selten höherwertiger als ein ausgezeichneter an einem anderen. Daher das Fazit: Leistungsbeurteilungen und Notengebungen sind derzeit kaum vergleichbar.
Dem Problem fehlender Vergleichbarkeit der Matura im Mittelschulbereich versucht man mit der sogenannten „Zentralmatura” zu begegnen. Diese zielt darauf, vergleichbare Leistungsniveaus und Leistungsergebnisse (Noten) sicherzustellen. Damit sollte gewährleistet werden, dass vergleichbaren Bildungsabschlüssen vergleichbare Leistungen, vergleichbares Wissen und vergleichbare Kompetenz gegenüber stehen, egal welche Mittelschule SchülerInnen oder Schüler besuchten.
Fehlende Vergleichbarkeit der Leistungsniveaus von Studiengängen
Im Tertiären Bildungsbereich besteht kaum eine Vergleichbarkeit der fast 3 Tausend Studiengänge und damit Studienabschlüsse in Österreich. Von welchen Kompetenzen und welchem Wissen kann ausgegangen werden, wenn sich Absolvent*innen beispielsweise von betriebswirtschaftlich orientierten Studiengängen bewerben?
164 Studiengänge bieten einen Bachelor im Bereich Management an. Können alle diese Studiengänge garantieren, dass die Absolventen zumindest die Basics der Betriebswirtschaft verstanden haben? Nach einer aktuelle OECD Studie ist das bei 5 Prozent der Absolventen nicht der Fall.
Es gibt Studiengänge und Hochschulen, die wenig ambitioniert Studierenden eher wenig abverlangen, diese quasi durchwinken. Die Absolventen lösen dann immer wieder und zunehmend häufig Diskussionen um Leistungs- und Noteninflation aus, dann wenn Unternehmen feststellen müssen, dass die Bewerber*innen Leistungserwartungen und Qualifikationsniveaus, die oftmals ohnehin moderaten Erwartungen nicht erfüllen können.
Dagegen gibt es Studiengänge, die deutlich höhere Leistungsanforderungen an die Studierenden stellen und mit guten, zumal sehr guten Noten geizen. Dabei schießen manche Studiengänge ehrgeizig über das Ziel hinaus. Leistungsdruck und Anforderungen verlangen Studierenden in solchen Fällen mehr ab, als für ein Bachelor Studium erforderlich ist, liegen teilweise auf Master Niveau von anderen Studiengängen.
Warum Vergleichbarkeit für die Wirtschaft relevant ist
Es ist erforderlich, dass auch im tertiären Bildungsbereich die Leistungsniveaus vergleichbarer Abschlüsse auch tatsächlich vergleichbar sind. Gerade Arbeitgeber, ob Unternehmen, Organisationen, Vereine und Freischaffende müssen sich darauf verlassen können, dass Bewerber*innen, die einen Bachelor oder Master vorweisen, nicht nur die Basic beherrschen, sondern die kommunizierten Leistungsziele auch erfüllen und eine entsprechende Kompetenz mitbringen.
Unternehmen sollten davon ausgehen können, dass jene, die einen Abschluss, gegebenenfalls sogar mit Auszeichnung vorweisen, sich letztlich nicht als unzureichend kompetent erweisen.
Es gibt immer wieder Fälle, in welchen Bewerber*innen mit durchschnittlichen Bachelor Noten eines Studiengangs höhere Qualifikationen aufweisen als andere Absolventen mit vorgeblich erfolgreicherem Abschluss eines vergleichbaren Studiengangs.
Wenn Abschluss und Noten keine verlässlichen Anhaltspunkte für Qualifikation, Kompetenz und Wissen von Bewerber*innen darstellen, dann sind sie im Wesentlichen als Kriterium für die Personalauswahl untauglich. Entsprechend ziehen in Deutschland große Unternehmen die Noten als Kriterium nicht mehr heran, sondern erheben in Assessments, die teils automatisiert mit Einsatz von KI durchgeführt werden, die tatsächliche Qualifikation und davon ausgehend die mögliche Verwendung im Unternehmen.
Fehlende empirische Daten
Aktuell gibt es in Österreich keine Vergleichsstudien, die hier Auskunft geben könnten. Laut Aussagen von Hochschulforschern ist diese Diskussion dort auch noch nicht angelangt, obgleich, das wird eingeräumt, die Thematik durchaus relevant sei.
Selbst einfache Statistiken über die Anzahl von Prüfungsantritten, über die Höhe der „Durchfall-Quoten”, zur Notenverteilung liegen nicht vor. So gibt es Studiengänge mit hohen Durchfallquoten, wiederholten Prüfungsantritten und häufigeren kommissionellen Prüfungen und einer deutlichen Streuung von Noten. Es gibt aber auch vergleichbare Studiengänge, in welchen kaum Studierende wiederholt zu Prüfungen antreten müssen und der Notendurchschnitt bei knapp unter zwei liegt. Allein solche Statistiken könnten erste Anhaltspunkte liefern und damit erste Informationen für spätere Arbeitgeber, aber auch für Studierende liefern. Eine öffentlich zugänglich Benchmark könnte den Wettbewerb unter Hochschulen und Studiengängen gut tun.
Fazit
Anforderungsniveaus und Praxis der Leistungsevaluation sowie der Notenvergabe gehören auf den Prüfstand.
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