Generation Net - In Sachen Medienkompetenz überschätzt ?
„Die Netz-Generation” schreibt Claudia de Witt „wird zum Leitbild einer vom Computer geprägten Gesellschaft, das flexible und mobile, interdisziplinär und global handelnde, leistungsfähige, effektive und erfolgreiche Menschen repräsentiert.” So empfiehlt sich diese Generation Unternehmen als per se prädestiniert für die Herausforderungen einer digitalen Zukunft. quasi als „Native Speakers”.
Aber ist das tatsächlich der Fall? Sind alle jene, die nicht zu den „Digital Natives” zählen „Digital Immigrants” (vgl. Prensky, 2001), „fremdsprachliche Einwanderer, die zeitlebens mit ‘accent’ sprechen, sprich sich fremd tun […]” ? (Schulmeister, 2009, 24)
Was zunächst einleuchtend klingen mag wird seit einigen Jahren zunehmend in Frage gestellt. Richard Schulmeister spricht in diesem Zusammenhang gar von einem „Mythos”. „The creations of Digital Natives,” meinen John Palfrey und Urs Gasser „are quite often limited to the thoroughly unspectacular: a new personal profile on Facebook, a posting on twitter.com (›Weather’s nice here in Munich‹), digital photos uploaded onto Photobucket or Shutterfly.” (2009, 112)
Es ist unbestritten, dass die „Generation Net” — die Generation der nach Mitte der 80er Jahre Geborenen — eine hohe Medienaffinität besitzt. Jedoch bedeutet medienaffin nicht automatisch medienkompetent (vgl. Haug 2009,1). Der „Mythos” der „Generation Net” lässt diese das jedoch von sich selbst glauben. Auch Studierende sind davon nicht ausgenommen. Dass dies in vielen Fällen zu einem verqueren Selbstbewusstsein führt, zeigt sich immer wieder. Untersuchungen stellen beispielsweise im Umgang mit IT „eine Diskrepanz zwischen Selbsteinschätzung und tatsächlichen Kompetenzen der Studierenden fest.” (Vgl. Haug, 2009,1) Zu einem vergleichbaren Ergebnis kommt eine erst unlängst veröffentlichte Studie der FH Vorarlberg (Erstsemestrige - Teil der Generation Net"), die zeigte, „dass die für ein Studium nötige Medien- bzw. Informationskompetenz nicht vorausgesetzt werden kann, sondern vielmehr im Studium erworben werden muss.” (Vgl Weber und Mayer, 2010) → [s.Blogpost Lehre]
Dennoch scheinen Unternehmen wie im Reflex davon auszugehen, dass MitarbeiterInnen der „Generation Net” per se für einen kompetenteren Umgang mit neuen Medien geeignet wären, ohne das zu hinterfragen. Zweifellos gibt es in dieser Generation einen Teil, der über die Medienaffinität hinaus auch über eine erforderliche Medienkompetenz verfügt, das Gros dürfte sich nicht wesentlich von der vorangegangenen „Generation X” oder den „Baby Boomers” unterscheiden. Sie brauchen ebenso eine entsprechende Qualifizierung.
Nicht selten treffe ich auf Unternehmen, die PraktikantInnen auf Social Media Kommunikation loslassen, in der irrigen Annahme, diese wären da ohnehin zuhause und verstünden es daher besser, als ältere MitarbeiterInnen in der Unternehmenskommunikation oder im Marketing. Es empfiehlt sich daher, dem „Mythos” „Generation Net” mit gebotener kritischer Haltung zu begegnen und älteren MitarbeiterInnen zuzutrauen, dass sie sich ebenso für die digitale Zukunft qualifizieren können.
de Witt, Claudia (2000): Medienbildung für die Netz-Generation. In: Medienpädagogik. Elektronisch verfügbar unter [www.medienpaed.com/00-1/deWitt1.pdf]. (Zugriff am: 05.01.2012)
Prensky, Marc (2001): Digital Natives, Digital Immigrants, Part II: Do They Really Think Differently? From On the Horizon (NCB University Press, Vol. 9 No. 6, December 2001). Elektronisch verfügbar unter [http://www.marcprensky.com/writing/Prensky%20-%20Digital%20Natives,%20Digital%20Immigrants%20-%20Part1.pdf](Zugriff am: 05.01.2012).
Schulmeister, Rolf (2009): Gibt es eine »Net Generation«? Erweiterte Version 3.0. Hamburg. Elektronisch verfügbar unter [http://www.zhw.uni-hamburg.de/uploads/schulmeister_net-generation_v3.pdf] (Zugriff am: 05.01.2012)
Weber, Frank; Mayer, Brigitte (2010): „Erstsemestrige – Teil der „Net Generation“?“ In: Künz, Andreas; Dontschewa,Miglena (Hrsg.): Eintauchen in Medienwelten. Zusammenfassung der Beiträge zum Usability Day VIII. Pabst Science Publishers (= uDay VIII).