Die Waffe mancher Wegelagerer: Das Recht
Die Rechtsmaterie im Umfeld von Datenschutz, Leistungsschutz, Patentschutz etc. ist mittlerweile so unübersichtlich, dass selbst Juristen, die sich nicht darauf spezialisiert haben, heillos überfordert sind. Ganz zu schweigen vom durchschnittlichen Bürger.
Erschwerend kommt hinzu, dass die Unübersichtlichkeit und oftmals fehlende Klarheit in diesen Rechtsmaterien zunehmend von Winkeladvokaten genutzt wird. Sie bauen darauf ihr einträgliches Geschäftsmodell auf – mit dem zynischen Vorhalt, es würden nur die Rechte Geschädigter geschützt und gewahrt werden.
Das Vertrauen in Rechtssicherheit beginnt sich allmählich aufzulösen. Bei vielen entsteht der Eindruck, dass die Gefahr von oftmals langwierigen und teuren Rechtsstreitigkeiten selbst bei großer Umsicht nicht mehr ausgeschlossen werden kann, wenn man z.B. als innovatives Unternehmen im Software- oder Technologiebereich tätig ist. Soweit mir bekannt ist, sind solche Klagsrisiken wegen Verstoßes gegen Patent- und Leistungsschutzrechte zudem nicht versicherbar. Die Risiken sind hoch und werden sie schlagend, kann das durchaus den Ruin eines Unternehmens bedeuten. Startups, die über wenig Eigenmittel verfügen sind besonders gefährdet.
Beobachter sprechen in diesem Zusammenhang von einem Hemmschuh für die weitere Entwicklung in der Technologie- und Software Industrie, wie dies auch die Neue Zürcher Zeitung unlängst formulierte (19.12.2012, 11). Spätestens seit dem Aufrüsten der Unternehmen Apple und Samsung mit Patenten ist offensichtlich, dass Patente nicht nur zur Absicherung eigener Entwicklungen genutzt werden, sondern als aggressives Instrument, um Wettbewerber aus dem Rennen zu drängen. Die vor allem in den USA praktizierte Praxis, was alles als Patent geschützt werden kann und darf, hat diesem Missbrauch Tür und Tor geöffnet.
Vergleichbares spielt sich aktuell (Update vom 8.6.2018) im Bereich des Datenschutzes ab. Und hier sind vor allem mittlere und kleiner Unternehmen, Freiberufler, Organisationen und Vereine betroffen. Die seit 25. Mai wirksame EU Datenschutz-Grundverordnung lässt selbst erfahrene und auf Datenschutzrecht spezialisierte Juristen in nicht wenigen Punkten vorsichtig agieren, da es in vielen Punkten Unschärfen gibt, die letztlich auf Ausjudizierung bis hin zum EuGH warten. Dennoch werden Abmahnungen verschickt, Schadensersatzforderungen gestellt und das nicht selten im organisierten Ausmaß von beispielsweise Abmahnkanzleien oder Abmahnvereinen.
Beispiel Patente
Schon von „Patent-Trollen” gehört?
Der Beitrag in der NZZ zeigt, wie sogenannte „Patent-Trolle” in den USA arbeiten. Unternehmen haben sich darauf spezialisiert, angekaufte Patente (z.B. durch Firmenübernahmen) an andere Unternehmen weiter zu verkaufen, sei es, damit diese sich gegen Klagen mit der Androhung von Gegenklage wappnen können („Gleichgewicht des Schreckens”) oder damit diese andere Unternehmen wegen Patentverletzungen klagen können. Unternehmen, die letzteres im Sinn haben, werden als „Trolle” bezeichnet. Und natürlich schneidet das ursprüngliche Unternehmen via Provisionen mit. Nach Bessen und Meurer haben Trolle 2011 Unternehmen auf diese Weise mit 29 Mrd. USD geschädigt.
Auch wenn 92% der Klagen gegen diese Trolle gewonnen werden, einigen sich die Unternehmen angesichts hoher Prozesskosten meist außergerichtlich. Daher suchen sich die Trolle zumeist kleine und mittlere Firmen mit einem Umsatz von weniger als 100 Mio. USD aus.
Beispiel: Datenschutzrecht
Auf dieselbe Vorgehensweise trifft man in den Grauzonen immer häufiger - nicht nur was Patente angeht, Leistungsschutzrechte allgemein und eben mittlerweile auch das Datenschutzrecht. Privatklagen scheinen zum Erlösmodell mancher Geschäftemacher zu werden. Siehe Beitrag DSGVO und das Risiko von Abmahnungen
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Die Gesetzgeber sind gefordert
Während sich große Unternehmen mit entsprechender Kriegskasse gegen diese Wegelagerei gut zur Wehr setzen können, fehlen KMUs oftmals die Ressourcen - von EPUs ganz zu schweigen.
Entsprechende Technologien und deren effizienter Einsatz erleichtern es Trollen mit geringem Aufwand eine größere Zahl an Unternehmen mit Klagen einzudecken. Selbst wenn nur ein Teil davon zu Zahlungen führt, ist das Geschäft bereits lukrativ.
Es wäre höchst an der Zeit, dass Gesetzgeber auf diesen „Markt” reagieren, Rechtssicherheit herstellen und missbräuchliche Abmahnpraxen selbst unter Strafe stellen. Als nächstes wäre eine Reform des Leistungsschutzrechtes zwingen nötig. Zudem wäre zu überlegen, zur Abwehr solcher Abmahnungen und Klagen, im Rahmen von Rechtsschutzversicherungen entsprechende Produkte anzubieten.
Udates: Dieser Beitrag wurde am 10.1.2013 verfasst, modifiziert am 8.6.2018.
(Kleinere Änderungen in Form von Korrekturen werden hier nicht erfasst.)