Digitalisierung im Albdruck eines tiefgreifenden Vertrauensverlusts
Immer mehr Menschen sind beunruhigt, verunsichert. Sie hören von Lügenpresse und wissen nicht mehr, ob das, was sie lesen und hören nun „wahr” ist, Propaganda oder schlicht Lüge. Der Eindruck verängstigt sie, dass Korruption zunimmt, dass sich immer mehr an Schwächeren schadlos halten wollen.
Immer mehr Menschen fühlen sich überfordert, mit schnelllebigen Veränderungen, zunehmender Bürokratisierung und der Zumutung, immer mehr gewohnte Tätigkeiten im Internet erledigen zu müssen. Dabei hören Sie von hohen Risiken, von Hackern und Datendieben, von Betrug und Überwachung. Und sie fühlen, dass sie dem nicht gewachsen sind. Sie kennen sich zu wenig aus, sind überwiegend nur Nutzer und darauf angewiesen, dass die Anbieter von Services, Apps, Programmen usf. vertrauenswürdig sind - obwohl sie das immer stärker bezweifeln.
Immer mehr Menschen haben den Eindruck, dass sie die Kontrolle über ihr Leben und die Umstände, wie sie ihr Leben gestalten wollen, verlieren. Die Digitalisierung wird als maßgeblicher Treiber dieser Entwicklung gesehen. „Es ist alles sehr kompliziert” meinte Fred Sinowatz, ein ehemaliger österreichischer Bundeskanzler, und spricht damit wohl vielen aus der Seele.
Das betrifft nicht nur Privatpersonen, sondern auch Unternehmen. So berichtet die NZZ, dass bspw. „14% der britischen KMU aus Sorge um die Sicherheit im Cyberspace nicht mehr Geschäfte online abwickeln.”
Die Vertrauenskrise trifft selbst renommierte Marken
Trotz der viel zitierten Markenerosion haben verunsicherte Konsumenten zunächst wieder mehr Markenware gekauft, vor allem wenn es um teure Anschaffungen ging. Man fühlte sich bei guten Marken besser aufgehoben. Viele mussten jedoch erfahren, dass Ihr Vertrauen selbst in renommierte Marken enttäuscht wurde. Ganz prominent trifft dies auf VW zu. VW stand für deutsche, ehrliche Qualitätsprodukte. Der Abgasskandal hat das Vertrauen von Autokäufern nachhaltig beschädigt. Da sahen Techniker und Management offenbar eine Chance mit hoher krimineller Energie durch so gut wie nicht auffindbare Softwaremanipulation Prüfstellen und Kunden hinters Licht zu führen und zu schädigen. Dass ähnliches auch anderen Marken nachgesagt wurde und wird, führte zu einem Misstrauen einer ganzen Branche gegenüber.
Viele Sparer mussten erfahren, dass selbst die eigene Hausbank, der man oftmals über viele Jahre, manchmal Jahrzehnte verbunden war, ihr Vertrauen missbrauchte. Sie haben sich auf die Kompetenz und Ehrlichkeit ihrer Berater verlassen, wenn es darum ging, sich für von Otto Normalverbraucher nicht mehr zu durchschauende Finanzprodukte zu entscheiden. Nicht wenige haben ihr gesamtes Erspartes verloren, manche gerieten durch empfohlene Anlageprodukte sogar in Schulden. Dabei hieß es immer: Die Bank ihres Vertrauens.
Geplante Obsoleszenz ist ebenfalls als Verrat am Kunden zu sehen. Wenn versteckt und von Konsumenten nicht erkennbare Schwachstellen die Lebensdauer eigentlich langlebiger Produkte deutlich verkürzten - sei es durch geplante Software Programmierung oder gezielte Verwendung entsprechend anfälliger Bauteile. Oder wenn Verschleißteile wie Akkus so verbaut werden, dass der Kunden sie nicht selbst austauschen kann und der Fachbetrieb dafür so viel verlangt, dass eine Neuanschaffung in vielen Fällen wirtschaftlicher ist. Wenn solche Unternehmen selbst findigen Kunden solche Reparaturen durch Spezialanfertigung von Werkzeug oder völlig überteuerten Ersatzteilen erschweren (z.B. Apple ), dann verstärkt sich der Eindruck, man werde als Konsument ganz gezielt über den Tisch gezogen.
Mit zunehmender Digitalisierung steigt die Gefahr von Manipulation und Missbrauch und es wird schwieriger, Betrug aufzudecken und nachzuweisen.
Das Vertrauen vieler Konsumenten wird schamlos ausgenutzt
Seit Handel getrieben wird, wissen erfolgreiche Händler, dass Vertrauen für den Geschäftserfolg grundlegend ist. Das trifft natürlich nicht auf sog. Abräumer zu, solche, die Geschäftspartner über den Tisch ziehen und abtauchen oder Laufkundschaft ausnehmen. Unternehmen mit einer gewissen Monopolstellung verhalten sich manchmal ähnlich.
Viele Konsumenten haben bei persönlich abgewickelten Geschäften Menschenkenntnis oder Intuition entwickelt. Analoge elektronische Geräte waren auch leichter zu erfassen. Ging bspw. bei einem Auto etwas kaputt, dann konnte man zu jeder x-beliebigen Werkstatt fahren und es reparieren lassen und ggf. den Reparaturerfolg in wiederum einer anderen Werkstatt überprüfen lassen. Seit Autos mittlerweile fahrende Computer sind und Fehlerdiagnosen nicht mehr über Testfahrt, Wahrnehmung und Erfahrung erfolgen, sondern durch das Auslesen der Fehlerdiagnose des Bordcomputers, bleibt den Konsumenten nur, den Werkstätten zu vertrauen. Viele tun das noch, weil sie davon ausgehen, dass Computer nicht betrügen und Diagnoseergebnisse nicht manipuliert werden können. Wer allerdings die Erfahrung gemacht hat, dass Fehlermeldungen, deren Ursache nicht ausgeforscht werden kann, unterdrückt werden können, indem sie per Software Einstellung einfach auskommentiert werden, der entwickelt schnell ein Gefühl von Ohnmacht und Hilflosigkeit. In sehr vielen Fällen können die verunsicherten Konsumenten nicht einmal einen Verdacht so argumentieren, dass Verbraucherschützern klar wird, worum es geht.
Selbst wenn Konsumenten das Gefühl haben, vom Hersteller oder Händler übervorteilt worden zu sein, gezielt betrogen worden zu sein, ist es alles andere als einfach, Tatsachenbelege dafür zu finden, besonders, wenn es sich um Software Manipulationen handelt. Denken Sie wiederum an VW. Anders als in den Vereinigten Staaten sind bei uns Sammelklagen (ähnlich der class action) nicht vorgesehen. Deshalb werden geschädigte Konsumenten im Fall des Schadstoffskandal bei VW in den U.S.A. beispielsweise deutlich besser bedient und deutsche Konsumenten schlechter gestellt. In Österreich gibt es zwar einen typisch österreichischen „Workaround” (durch Zession an einen Kläger) aber auch hier sind Verfahren im Sinne einer ‚class action’ nicht möglich. Mit dem Erfolg, dass bei Massenschäden rund 75 Prozent der Geschädigten nichts unternehmen, da für sie das Prozesskostenrisiko zu groß ist und das Durchhaltevermögen bei sich oftmals über Jahre hinziehenden Prozessen zu gering. Dieser Umstand wird von vielen Unternehmen schamlos ausgenutzt.
„Ohne Vertrauen gibt es keine digitale Wirtschaft.”
Vertrauen als notwendige Voraussetzung für den Erfolg der Digitalisierung
Wenn etwas unübersichtich wird und damit das Risiko steigt, Opfer eines Betrugs zu werden, dann werden alte Faustregeln wieder attraktiv: Mache ausschließlich Geschäfte, die Du verstehst und mit Geschäftspartnern, die Du kennst und denen Du vertraust. Damit sind nicht die sog. Freunde und deren Empfehlungen auf Facebook & Co gemeint, nicht die Kundenrezensionen und Kundenbewertungen. Das Misstrauen führt wohl auch dazu, dass umsichtiger und zurückhaltender investiert wird, konservativ, wie es so schön heißt. Käufe werden zunehmen bevorzugt im Inland abgewickelt, weil damit auch der Gerichtsstand im Inland ist und damit zumindest eine größere Aussicht besteht mit geringerem Prozessrisiko zu seinem Recht zu kommen.
Dagegen steht allerdings, dass es Bürgern immer schwieriger fallen wird, sich konservativ zu verhalten. Denken Sie an die Smartmeter. Bis 2019 werden diese in jedem Haushalt verbaut sein - so Sie nicht Energie Selbstversorger sind. Egal, wie wichtig Ihnen Ihre Privatsphäre ist und wie groß Ihre Bedenken gegen Datenmissbrauch und Manipulation auch sein mögen, dieser Entwicklung müssen Sie sich beugen.
Denken Sie an die politisch verfolgte Absicht, den Bargeldverkehr einzuschränken und digitale Bezahlsysteme als Standard zu installieren. Als Bürger, ob einzeln oder in Gruppen, haben Sie keine Aussicht, dagegen etwas zu unternehmen.
Wirklich problematisch ist, dass die digitale Entwicklung und der dadurch deutlich schwerer nachzuweisende kriminelle Missbrauch rasanter vor sich gehen, als die Entwicklung des Rechts und die konsequente Umsetzung dieses Rechts. Rechtssicherheit geht zunehmend und in beschleunigendem Maße verloren.
Wen also sollte es wundern, dass Vertrauen verloren geht und damit die Bereitschaft, sich auf eine zunehmend digitalisierte Wirtschaft und Administration einzulassen.
Um dem Vertrauensverlust entgegen zu wirken, hat die EU 2016 eine Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) in Kraft gesetzt, die mit 25. Mai 2018 wirksam werden wird. Zudem befindet sich eine EU E-Privacy Verordnung in Beschlussfassung, die spezielle Aspekte des DSGVO weiter verschärfen soll, um persönliche Daten und Privatsphäre besser zu schützen.
Informationen und Tipps zur Datenschutz-Grundverordnung finden Sie unter fokus.genba