Schieflage im Wettbewerb von Online und Stationärem Handel
Frankreich versucht den Online Handel stärker zu regulieren
Per Gesetz ist es seit 2014 in Frankreich allen Online-Händlern verboten, Preisnachlässe mit einer Gratislieferung zu verbinden. „Ziel des Gesetzes ist es, dass Bücher im Online-Handel mehr kosten als in den Buchhandlungen", sagte lt. Handelsblatt einer der Autoren des Gesetzestextes. Irgendwie ist das nachvollziehbar. Warum das in Deutschland und Österreich nicht diskutiert wird, bleibt sonderbar.
Amazon, die Buchpreisbindung und der kostenlose Versand
Die Buchpreisbindung ist ein geeigneter Hebel. Buchpreisbindung meint, dass ein für ein Buch festgesetzter Preis sämtliche Händler bindet. Diese Regelung gilt in Deutschland, Frankreich, Griechenland, Italien, Niederlande, Österreich, Portugal und Spanien.
Der Online Handel, insbesondere Amazon umgeht dies indirekt durch den kostenlosen Versand. Wenn ich ein Buch bspw. für 26,80 bei Amazon bestelle, so wird das Buch frei Haus ohne zusätzliche Kosten geliefert - bequem und zeitnah - innerhalb Deutschlands i.d.R. binnen 24 Stunden. Porto, Verpackung und Logistik fallen für den Käufer nicht an, schlagen aber dennoch als Kosten beim Verkäufer zu Buche. Eigentlich müssten diese Kosten zusätzlich zum Buchpreis verrechnet werden, andernfalls der tatsächliche Buchpreis faktisch um die Transaktionskosten reduziert wird.
Nun könnte man einwenden, dass auch der stationäre Buchhandel letztlich Personalkosten, Mieten, Nebenkosten etc. pp. über die Händlermarge deckt. Warum also sollte Amazon aus dieser Marge nicht die Kosten für den Online-Shop und die Versandkosten zahlen? Bei dem erwähnten Taschenbuch für 26,80 EUR verdient der Buchhändler um die Ecke etwa 10 Prozent. Sofern das Buch, weil es schnell benötigt wird, über KNO bestellt wird, nochmals weniger, denn dieser Service will auch bezahlt werden. Entsprechend lägen die Einnahmen bei max. 2,68 EUR. Das Buch, hier Hannah Arendt, Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft, wiegt 975 Gramm. Ein selbst im Taschenbuch 6cm dicker Band. Der Versand innerhalb Deutschlands kostete regulär EUR 3,99, nach Österreich EUR 8,60. Selbst innerhalb Österreich lägen die Versandkosten bei EUR 4,45. Nun kann man davon ausgehen, dass Amazon aufgrund des hohen Versandvolumens Sonderkonditionen bekommt. Wie auch immer - zusammen mit den Kosten für Verpackung und Logistik liegen die Transaktionskosten sicherlich höher als die bei Buchhändlern übliche Gewinnspanne. Gar nicht berücksichtigt sind die Kosten, die sich entsprechend Fernabsatzgesetz aus der Rücknahmeverpflichtung, teilweise portofrei, ergeben und die letztlich ja auch in die Kalkulation einfließen müssten.
Das Geschäftsmodell funktioniert natürlich durch die Masse, die es erlaubt, günstig einzukaufen. So wird gemunkelt, dass Verlage gegenüber Amazon einen Rabatt von über 60 Prozent einräumen müssen. Der Buchhändler um die Ecke muss froh sein, wenn er bei machen Verlagen ohne Vorkasse bestellen kann. Ansichtsexemplare kann der Buchhändler nicht immer anbieten, während der Kunde von Amazon jedes Buch gemäß des schon erwähnten Fernabsatzgesetzes innerhalb der national geregelten Fristen problemlos und ohne Angabe von Gründen zurück schicken kann.
Führt Online-Handel zum Aussterben des „klassischen” Buchhändlers?
Seit über einem Jahr bestelle ich meine Bücher nicht mehr bei Amazon - ausgenommen gebrauchte Bücher, bzw. Bücher von Verlagen aus den USA und UK etc., die mein Buchhändler nur mit großem Aufwand besorgen kann. (Ich habe schon erlebt, dass ein Buchhändler solche Bestellungen selbst über Amazon orderte, somit nichts daran verdiente, nur um einen entsprechenden Kundenservice zu garantieren.) Amazon.com bleibt aber weiterhin meine bevorzugte Adresse, um lieferbare Bücher und mittlerweile auch im Buchhandel nicht mehr lieferbare, antiquarische Bücher zu recherchieren. Bei teuren Büchern, oder bei Büchern, die ich nur als Arbeitsgrundlage benötige, schaue ich auch nach, ob es nicht eine günstigere, gebrauchte Alternative gibt. Entscheide ich mich für eine Bestellung, dann rufe ich bei meinem Buchhändler an, gebe ihm die Daten bekannt und lasse mich per SMS informieren, sobald das Buch eingetroffen ist.
Samstags, kurz vor Geschäftsschluss habe ich die Bücher dann meist abgeholt. Anders als bei meinen Buchhandlungen in Wien schmökere ich hier in Linz nicht. Das Sortiment reizt mich nicht wirklich. Aber es ist eine kleine, feine Buchhandlung, die ich nicht missen möchte. Der Aufwand ist groß: in die Stadt fahren, so ich nicht gerade dort etwas zu tun habe, Parkplatz suchen, Parkgebühren bezahlen, zur Buchhandlung gehen und retour.
Wie bequem dagegen macht es mir Amazon. Am kommenden Montag erwarte ich eine Lieferung: „Der Weg zur Knechtschaft” von Friedrich August von Hayek, gebraucht, aber neuwertig. Die Lieferung wurde für Montag angekündigt. Über die Paketverfolgung weiß ich, wo sich meine Bestellung gerade befindet. Im Büro ist immer jemand erreichbar und so kann das Paket problemlos angenommen werden. Ich muss das Buch dann nur noch auspacken.
Wäre ich nicht solidarisch mit den Angestellten in den Logistikzentren von Amazon, den (geknebelten) Verlagen und Autoren, ich würde wohl den größten Teil meiner Bestellungen über Amazon abwickeln. Das kommt aber eher einer sentimentalen Haltung gleich als einem marktrationalen Handeln. Entsprechend bin ich überzeugt, dass nur eine kleine Minderheit bereit ist, auf Komfort zu verzichten und Aufwand auf sich zu nehmen, um sich mit dem Buchhändler um die Ecke zu solidarisieren.
Sind marktregulierende Eingriffe erforderlich?
Es stellt sich daher die Frage, ob der Staat nicht regulierend eingreifen sollte. Nicht nur, um das Kulturgut Buch in der Vielfalt und Breite und die klassische Wertschöpfungskette zu schützen, sondern auch um den Wettbewerb am Markt durch die marktbeherrschende Rolle von großen Online Unternehmen zu beschränken und damit Wettbewerb zu sichern.
Online Händler zu zwingen, tatsächlich anfallende Versandkosten den Kunden zu verrechnen wäre ein entsprechend geeigneter Schritt - zumindest dem ersten Augenschein nach. Nur wenige würden dann bereit sein, bei einer Bestellung eines Taschenbuches um EUR 9,90 zusätzlich das anfallende Porto zu bezahlen — zumindest nicht jene, die viel und gerne lesen.
Andererseits kann es auch nicht sein, dass der stationäre Buchhandel privilegiert wird. Es ist erforderlich, dass sich dieser aus seinem Lamento befreit und Strategien entwickelt, wie er angesichts der Online Konkurrenz nicht nur überleben kann, sondern auch prosperieren.
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