Gewissen - Rechtsempfinden - Rechtsbruch
Wolfgang Brandstetter, österreichissche Justizminister, hat bei einem Pressegespräch im ORF etwas gesagt, was, wie ich meine, viel zu wenig berücksichtigt wird:
Im Grunde wissen die meisten Menschen, ob das, was sie tun, rechtens ist, oder nicht. Es braucht dafür keine Feststellung durch Gerichte.
Es stellt sich daher die Frage, warum Menschen etwas tun, von dem sie wissen, dass es nicht o.k. ist. Alle wissen, dass Steuerhinterziehung genauso Betrug ist, wie der Diebstahl der Brieftasche einer gehbehinderten alten Frau. Ich denke, dass es kaum eine durch das Strafgesetzbuch bewährte Handlung gibt, die nicht unabhängig davon von den Tätern bereits als Unrecht wahrgenommen wurde.
Warum also tun Leute etwas, von dem sie genau wissen, dass es falsch ist, dass es rechtswidrig ist und/oder unsozial.
Das Problem besteht wohl darin, dass gar nicht so wenige Menschen denken, dass Unrecht erst dann tatsächlich zustande komme, wenn es offiziell festgestellt würde. Andernfalls sei es Privatangelegenheit und damit unverbindlich. Die kognitive Dissonanz zwischen empfundenem Unrecht und der Tatsache Unrechtes trotzdem zu tun - vulgo das schlechte Gewissen - wird als persönliche Angelegenheit abgetan, die niemanden zu interessieren habe.
Mehr noch, wird jemand, der weiß, dass er sich nicht regelkonform verhalten hat, erwischt, dann ist eines der Stehargumente, dass sich ja auch andere nicht an die Regeln hielten und so lange andere damit durch kämen wäre es unfair einzelne herauszupicken und zu bestrafen.
Ich denke nicht, dass eine aufgerüstete Überwachung, Kontrolle und zunehmende Rechtsvorschriften das Problem lösen können. Es wäre nötig, das Bewusstsein dafür zu schaffen, dass das persönliche Gewissen wieder handlungsweisender wird. Das ergibt einen herausfordernden Bildungsauftrag bei der Erziehung / Sozialisation / Inkulturation in den Familien, den Schulen und der Gesellschaft.
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