Mit Slogans gegen die Wand
Mit „Matura Neu” soll nun alles besser werden in Österreichs Bildungslandschaft. Die Propaganda des Bildungsministeriums tönt: „Die neue AHS-Reifeprüfung. Die neue BHS-Reife- und -Diplomprüfung… für höchste Qualität an Österreichs Schulen”. Was als ambitionierte Hochleistung bildungspolitischer Akrobatik dargestellt wird, gibt es in Bayern und der Schweiz nebenan bereits seit gut einem Vierteljahrhundert. Und ich kann mich nicht daran erinnern, dass dort ein derartiger Wind gemacht wurde, wie nun hierzulande im Wasserglas österreichischer Bildungspolitik. Die Reform selbst ist mehr als überfällig, die Übertreibungen und die platten Propagandasprüche mehr als entbehrlich.
Es ist nahezu unerträglich, wie fehlende substantielle Arbeit durch unzutreffende Etikettierungen und Überhäufung mit Selbstlob kaschiert werden.
Anlass für diesen Blogbeitrag ist ein Informationsblatt zur sogenannten “vorwissenschaftlichen Arbeit". Diese soll in der 7. Klasse vorbereitet und in der 8. Klasse angefertigt werden. In Bayern heißt dies schlicht, aber zutreffend: Facharbeit. Etwa 20 Seiten soll diese “vorwissenschaftliche Arbeit” umfassen und sie muss in zweifacher, gedruckter und gebundener Ausführung sowie digital abgegeben werden. *kopfschütteln*
Was ist eine „vorwissenschaftliche Arbeit”? Genau genommen ist eine vorwissenschaftliche Arbeit eben das nicht, was es suggeriert zu sein: es ist keine wissenschaftliche Arbeit. Damit ist letztlich auch ein Einkaufszettel in gewissem Sinne eine „vorwissenschaftliche Arbeit”. Es geht doch letztlich darum, dass Schüler und Schülerinnen lernen, sich mit einem weitgehend selbst gewählten Thema in strukturierter, nachvollziehbarer Form auseinanderzusetzen. Aufbau und Gliederung, Zitieren etc. pp. das soll dabei geübt und erlernt werden. Dies ist eine gute Übung für ein anschließendes Hochschulsstudium. Aber es hat nun wirklich nichts mit „wissenschaftlicher Arbeit” zu tun.
Es gab wohl immer schon eine Neigung zur Übertreibung, was vielleicht in der Mentaliät des Landes liegt, oder im Versuch blasse Politik aufzuputzen und ungenügende Leistungen durch Polituren als exzellent zu verkaufen. Warum genügt es nicht, die Dinge beim Namen zu nennen und auf jeglichen, ohnehin lächerlichen Nimbus zu verzichten?
“It is my wish that this may be the most educated country in the world. I hereby declare that each of my people be given a diploma”
1 Kommentar
Kommentar von: Artesano

Als sich die, auf Kosten der Steuerzahler mit permanentem Make Up verschönte, Bildungsministerin Claudia Schmied daran machte sich selbst ein Denkmal zu setzen (PädagogInnenbildung NEU läßt grüssen) trieb sie auch die Werbewirtschaft für sich vor sich her. Was mit Elisabeth Gehrer (Begründerin der Bildungsmisere, auch “Gehrerismus” genannt) und ihren “Qualitätspickerln für die Schule” begann setzt sich bei Claudia Schmied nun fort: das Exzellenzbestreben mit Hilfe von PR Kampagnen einzuführen, ohne die dafür notwendigen Rahmenbedingungen zur Durchführung der Lösung der Bildungsmisere zu schaffen.
Eine “vorwissenschaftliche Arbeit” zu schreiben war ja ein gutes Ansinnen. Das Problem hierbei jedoch ist, wie der Autor des Blogs ja erwähnt, dass dies eben keine echte wissenschaftliche Arbeit ist, sondern sie sollte dazu dienen Schülerinnen und Schülern die Grundzüge wissenschaftlichen Arbeitens (also des Arbeitens, nicht der Wissenschaft per se) näher zu bringen. Dabei ist jedoch auffällig, dass die meisten Lehrkräfte an den Schulen kaum selbst jemals wirklich wissenschaftlich gearbeitet haben (die Anzahl der Doktorate in den Schulen ist verschwindend gering) und in ihrer Ausbildung Lehrveranstaltungen wie “Einführung in das wissenschaftliche Arbeiten” in den Curriculas einfach fehlten bzw. nur mangelhaft durchgeführt wurden. Das Lesen von Der Standard-Artikeln alleine und das exzerpieren daraus ist zu wenig, denn in den Folgesemestern werden an Universitäten “echte” wissenschaftliche Seminararbeiten mit Zitierregeln, wissenschaftsethischen Grundsätzen, eigenen Gedanken usw. verlangt. Wer dies selbst nur mangelhaft gelernt hat, wird dies seinen Schülerinnen und Schülern selbst kaum vermitteln können. Wie dies an den Pädagogischen Hochschulen ist, daran will ich gar nicht denken.
Überall wird beklagt dass das Bildungsniveau sinkt, aber mit Hilfe von “symbolischer Aufrüstung” (vgl. Pierre Bourdieu, Die feinen Unterschiede, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 1983) wird dies auch nicht möglich sein. Mittlerweile werden diese “vorwissenschaftlichen Arbeiten” an Berufsbildenden Höheren Schulen als “Diplomarbeit” bezeichnet, wobei sie von echten, universitären und pädagoisch-hochschulischen, Diplomarbeiten weit entfernt sind. Der Plagiarismus feiert fröhliche Urstände, Wikipedia wird als Quelle zugelassen und fleissig wortwörtlich kopiert, Bildquellen und überhaupt ein Quellenverzeichnis sind nur mangelhaft angegeben usw.. Und DAS soll dann in zweifach ausgedruckter Form und digital abgegeben werden? Wer liest denn das noch in 2 bis 5 Jahren an der Schule? Welche Schule hat so viel Platz in ihren Räumlichkeiten um die gesamten Arbeiten, welche durchaus einige Regallaufmeter in Anspruch nehmen werden, jahrelang aufzubewahren?
Die Idee einer vorwissenschaftlichen Arbeit ist grundsätzlich zu begrüßen. Der große Wurf ist sie hingegen aber nicht und die Idee ist auch nicht neu. Österreich hinkt, wie in vielen anderen Bereichen auch, hier wieder um Jahre hinterher, verkauft dies aber mit Hilfe einer guten Propagandamaschinerie als die neueste Innovation auf dem Markt. In Wirklichkeit legt die Bundesregierung keinen wirklichen Wert auf Bildung. Am 13.09.2011 erschien in der Presse ein Artikel über die OECD Bildungsstudie, welche einräumt, dass Bildung in Österreich keine Priorität hätte ( http://diepresse.com/home/bildung/universitaet/692869/OECDStudie_Bildung-hat-in-Oesterreich-keine-Prioritaet ). Es ist ein ziemlich erschreckendes Szenario, welches auf Österreichs Bildungslandschaft zukommt, wenn der Trend so weiter geht. Daran ändert auch Claudia Schmieds gut geölte Werbemaschinerie nichts. Auch Katzengold glänzt, hat jedoch keinen Wert.