Digitale Speicher sind keine Erinnerungsräume
Etwas auf Abruf gespeichert haben ist eines, aber nicht dasselbe wie Erinnern. Selbst der Vorgang, digital Gespeichertes abzurufen, sich ins Gedächtnis zu rufen, würde ich nur mit einigem Zögern als „erinnern” bezeichnen.
Analog stellt sich die Frage, ob digitale Inhalte, die das World Wide Web über kurze oder lange Zeiträume verfügbar hält, vergessen werden können. Dass Inhalte verloren gehen können, nicht mehr verfügbar sind, gelöscht oder verlegt wurden beweisen die zahllosen „404 - Not found” Meldungen (vgl „404 - Nicht gefunden heißt oftmals nur: Kein Zugriff möglich”). Ist das aber schon vergessen?
Wie verhält sich das bei analogem Speichern?
Mir fällt es abseits der digitalen Welten ebenso schwer von Erinnern zu sprechen, wenn nur Daten und Informationen aus Büchern und anderen analogen Speichern abgerufen werden. Zum Erinnern braucht es mehr. Selbstverständlich braucht es dazu auch gespeicherter und abrufbarer Informationen und Daten, aber diese allein reichen eben nicht aus. Im Jargon würde ich das mit “notwendig, aber nicht hinreichend” umschreiben.
Wenn ich mir Daten zum Anschlag auf das World Trade Center am 11. September 2001 ab- und ins Gedächtnis rufe ist das noch nicht zwangsläufig erinnern. Da das Ereignis in meinem Leben verankert ist, gerät, wenn ich dies tue, meine Biographie in Resonanz. Das ist dann Erinnern. Ähnlich verhält es sich bspw. mit dem „Erinnern” an die nationalsozialistischen Gräuel im KZ Auschwitz. Ich kann alles, was ich darüber gelesen und gelernt habe ins Gedächtnis rufen, kann digitale Bild und Forschungsarchive befragen usf. Erinnern ist das – bei aller Betroffenheit – noch nicht. Das Geschehen liegt außerhalb meines Erinnerungsraumes. Dennoch kann es durch Begegnungen mit Zeitzeugen gelingen, einen Resonanzraum zu erzeugen, der “erinnern” möglich macht.
Ein Thema, das es lohnt, dass ich weiter darüber nachdenke.
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