Zur Pragmatik des ‚Inverted Classroom Model‘
Mit dem Artikel „Zur Pragmatik des ‚Inverted Classroom Model im Hochschulstudium’ konnte ich einen Beitrag zur Konferenz ‚Inverted Classroom and Beyond 2016’ leisten.
Dabei beziehe ich mich auf die Evaluation von acht Lehrveranstaltungen, die in den Wintersemestern der Jahre 2010 bis 2015 im Rahmen eines Marketing bezogenen Studiengangs abgehalten wurden.
Die Evaluation arbeitet mit der Methode der „dichten Beschreibung“ ergänzt durch Befunde aus der Datenbank des als Lehr- und Lernplattform genutzten ePortfolio Systems Mahara. Sie beschäftigt sich vorrangig mit den grundlegend erfolgskritischen kontextuellen Rahmenbedingungen bei der Ein- und Durchführung von „Inverted Classroom“ als Lehr- und Lernmethode.
1. Lernkulturelle Ausgangssituation
Die Studierenden der jeweiligen Lehrveranstaltungen waren weder in der Primar- und Sekundarstufe noch an der Hochschule selbst mit dem Modell des „Inverted Classroom“ in Kontakt gekommen. Ihre Lernerfahrungen waren geprägt von Frontalunterricht und gelegentlichen Gruppenarbeiten im Rahmen oftmals semi-curricularer Didaktik.
Entsprechend haben sich überwiegend extrinsisch geleitete Lernroutinen herausgebildet, die über Jahre optimiert wurden, um den stetig steigenden, vor allem quantitativen und formalen Ansprüchen entsprechen zu können. Gelernt wird überwiegend punktuell für Klausuren. Eine kontinuierliche Vor- und Nachbereitung im Rahmen des Selbststudiums zur erforderlichen Vertiefung der Lehrinhalte findet kaum statt.
Als Lernunterlagen dienen im Wesentlichen PowerPoint Folien, gelegentlich Skripte, jedoch kaum Fach- oder Lehrbücher. Das Lernen ist fokussiert auf Reproduktion, selbst teilweise oder gänzlich unverstandener Inhalte.
Diese Lernroutinen laufen dem Modell des „Inverted Classroom“ entgegen, insbesondere dann, wenn die Vorbereitungs-, bzw. Arbeitsphasen ein höheres Maß an Eigenständigkeit beim Erarbeiten des Lernstoffs verlangen. Gerade diese Kompetenz, sich eigenständig in Themen und Aufgaben anhand bereitgestellter Materialien einzuarbeiten, sich damit auseinanderzusetzen und Fragen dazu formulieren zu können, ist erforderlich.
Studierende dafür zu gewinnen, habitualisierte Lernroutinen aufzugeben und sich auf neue Lehr- und Lernerfahrungen einzulassen ist daher kritisch für die erfolgreiche Ein- und Durchführung von Lehrveranstaltungen nach dem Modell des „Inverted Classroom“. Um dies zu erreichen empfehlen sich Methoden und Instrumente des Change Managements, wobei sich Kurt Lewins 3-Phasen Modell des Unfreezing, Moving und Refreezing als hilfreich bewährt hat. (Euler & Seufert, 2005; Fischer, 2007; Lewin, 1947)
So lange allerdings die habitualisierten Lernroutinen weiterhin eine bewährte Antwort auf einen Frontalunterricht darstellen, wie er in anderen Lehrveranstaltungen abgehalten wird, kann der Veränderungsprozess nicht zu einem veränderten Habitus führen, sondern erhöht bei Studierenden deutlich den Akkommodationsaufwand, was zu Vorbehalten und teilweiser Ablehnung führt. Das wiederum gefährdet den Veränderungsprozess und damit die erfolgreiche Implementierung eines „Inverted Classroom Model“.
[Den gesamten Artikel können Sie im Tagungsband lesen, der von der FH St. Pölten im Februar 2016 herausgegeben wurde.]