Hochschulbildung in der Krise
Marion Schmidt zeichnet in der DIE ZEIT unter “Chancen” ein eher düsteres Bild für die Studienlandschaft Deutschland. Dem liegt eine eben erst veröffentlichte Studie des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung zugrunde. Im vergangenen Wintersemester waren an den 20 größten Hochschulen in Deutschland zwei Drittel der Bachelor Studiengänge zulassungsbeschränkt. Im Landesschnitt waren es immerhin noch mehr als die Hälfte.
Es ist absehbar, dass die Zahl derer, die bspw. nach Österreich kommen werden, um hier einen Studienplatz zu finden, entsprechend zunehmen wird. Und das, obwohl auch hierzulande das Problem überfüllter und unterfinanzierter Universitäten besteht.
Ganze Studiengänge werde gestrichen
Nun wird sich die Situation verschärfen, denn einige Hochschulen planen ganze Studiengänge zu schließen. So soll das Psychologiestudium in Bremen trotz 5000 Bewerber auf 240 Studienplätze gestrichen werden. Angesichts des Umstands, dass dort von den sechs ordentlichen Professuren nur zwei besetzt sind und auch das nur noch bis 2020, ist das sogar eine vernünftige Überlegung. Der Bericht in der DIE ZEIT listet weitere ähnliche Beispiele auf. Das große Streichen hat also begonnen, als folge einer notorischen Unterfinanzierung der Hochschulen.
Kann unter den gegenwärtigen Bedingungen noch qualifizierte Hochschulausbildung garantiert werden?
Der Wunsch, möglichst vielen junge Menschen Hochschulbildung zu ermöglichen hat, wie DIE ZEIT schreibt, dazu geführt, dass „heute […] nahezu jeder studieren [kann]. auch ohne Abitur. Und ohne Studiengebühren.” Der Preis ist hoch. Ein Massenbetrieb bei nur zögerlich nachbesetzten Professuren kann kaum noch jene Exzellenz erreichen, die ein akademisches Studium auszeichnen sollte. Wen wundert es, dass Hochschulen dieses Zuschnitts in internationalen Rankings immer weiter zurück fallen. Zudem ist naiv, wer glaubt, dass die Zahl derjenigen, die beste Voraussetzungen für ein Hochschulstudium mitbringen so rasant gestiegen sei, wie die Zahl der Studierenden. Daher wundert es auch nicht, wenn mittlerweile ganz offen darüber gesprochen wird, dass es zu viele Studierende gibt.
Der Engpass setzt sich fort
Der Massenbetrieb an Hochschulen entlässt - trotz hoher Abbrecherzahlen - massenhaft Absolventen. Ein kaum mehr wahrnehmbarer Teil davon wird noch Chancen auf eine sogenannte Universitäts- bzw. Wissenschaftskarriere an Hochschulen haben. Es gibt kaum Stellen dafür.
Aber nicht nur an Hochschulen sind Stellen rar. Der Arbeitsmarkt insgesamt ist mit dieser Entwicklung überfordert. Und das wird allenfalls dazu führen, dass akademisch Ausgebildete den Job machen werden, den bislang nicht akademisch Ausgebildete machten - und zwar zu deren Gehältern und Löhnen. (Siehe meinen Beitrag „High Skills - Low Paid“)
Was wird aus den dringend benötigten Fachkräften, die nicht zwangsläufig eine akademische Ausbildung benötigen? Werden sie nun gezwungen ebenfalls an die überfüllten Hochschulen zu gehen, um Aussicht auf einen entsprechenden beruflichen Erfolg zu haben?
Was machen Studierende, deren Ausbildung zunehmend an der Nachfrage seitens Unternehmen bedarfsorientiert ausgerichtet ist, wenn sie nach dem Studium nicht gleich einen entsprechenden Arbeitsplatz bekommen? Wie groß ist die Halbwertszeit ihres Wissens? Wie hoch ist für sie in dieser Wartezeit der Fortbildungsbedarf, um mit aktuellen Hochschulabgängern im Wettbewerb bestehen zu können?
Letztlich gilt auch für den Arbeitsmarkt, dass Angebot und Nachfrage den Preis bestimmen. Ein Überangebot an Akademikern auf dem Arbeitsmarkt wird sich zwangsläufig auf die zu erwartenden Gehälter oder Löhne auswirken. Das wird über kurz oder lang die Attraktivität einer Hochschulausbildung wieder reduzieren. Diese Aussicht hilft aber weder den Hochschulen heute, noch einer vernünftigen Bildungspolitik.
Die Unternehmen freut es, die Gesellschaft muss teuer dafür bezahlen.
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DIE ZEIT, Nr. 27, 26. Juni 2014, 65