ePortfolios - Eine Chance für effektives Lernen und Lehren
Häufig liefern Evaluationen und Reflexionen “Aha-Erlebnisse” , die man sich gerne schon zu Beginn eines Projektes gewünscht hätte. Aber das zeichnet Lernen wohl aus. Der Kommentar von Nathalie Köpff auf ein früheres Blogpost aktivierte ein vor einigen Jahren gestreiftes, dann aber nicht weiter vertieftes Thema: ePortfolio.
Im Sommersemester 2011 hatte ich erstmals begonnen mit ePortfolios in meinen Lehrveranstaltungen zu arbeiten. Vorangegangen waren einige Wochen der Recherche und des Experimentierens. So hatte ich verschiedene Systeme getestet, auch im Betrieb auf meinem Server und mich mit Usern der Systeme unterhalten. Zu guter Letzt habe ich mich für Mahara entschieden.
Meine Erfahrungen will ich in diesem Beitragen festhalten und zur Diskussion stellen.
(Auf die technischen Herausforderung werde ich hier nicht eingehen, da diese letztlich im Hintergrund stehen.)
Die Ausgangssituation
Die Studierenden arbeiteten bis zu diesem Zeitpunkt nahezu ausschließlich mit ILIAS, einem verbreiteten Learning Management System (LMS). Formen alternativen Lernens wie asynchrones kollaboratives Arbeiten mit Wikis oder Etherpad waren den Studierenden meiner Lehrveranstaltung ebenso unbekannt wie das Führen von Lernblogs - sofern unter “bekannt” mehr als nur ein “Hörensagen” verstanden wird. Vereinzelt gab es Erfahrungen mit Google Drive (früher Google Docs). Bekannt waren Abstimmung und Kommunikation über Facebook, der Austauch von Daten über Dropbox und eine synchrone Kollaboration über Skype.
Persönliches Wissensmanagement war bislang kein Thema. Informationen zu den Lehrgegenständen wurde im Wesentlichen in Form der von Lehrenden zur Verfügung gestellten PowerPoint Präsentationen und über PDF Dokumente, heruntergeladene Beiträge aus Fachbüchern zur LVA, gespeichert. Diese bildeten im Wesentlichen auch die Grundlagen für Klausurvorbereitungen.
Es gab und gibt ausgesprochen hohe Erwartungen bei den Studierenden, was den Servicierungsgrad angeht. Kommodität und Komfort (commodity and convenience) haben dabei einen hohen Stellenwert. Dazu kommen Notenorientierung und Aufwandsoptimierung. Lerneffizienz ist ein bestimmendes Thema.
Vision und Erwartungshaltung
Die Wirtschaft benötigt in erster Linie Arbeitskräfte, die eigenständig und eigenverantwortlich arbeiten können, die effektiv nicht mit effizient verwechseln und die vor allem kollaborative Kompetenzen besitzen. Im Arbeiten mit ePortfolios sah ich eine attraktiven Alternative zu ausgetretenen Bahnen schulisch orientierten Lernens und Studierens. die mehr Eigenverantwortung, Selbstorganisation und Kollaboration fördern könnte.
Zudem erhoffte ich mir, dass das Angebot zum selbstorganisierten Arbeiten auch lustvoll erlebt werden würde, wie auch der Umstand, dass dieses Arbeiten zwar im Rahmen der Lehrveranstaltung erfolgt, jedoch nicht zwangsläufig unter den Augen des Lehrenden.
Einblicke in den Ablauf
Der Gesamtumfang der integrierten Lehrveranstaltung von 3 ECTS setzt sich auch 30 Präsenz-Lehreinheiten und 45 Lehreinheiten eigenständigen Lernens und Arbeitens zusammen. Der Input wurde im ePortfolio via Videocasts, Präsentationen, Texten, Slideshares etc. für das eigenständige Erarbeiten zur Verfügung gestellt. Mit Hilfe des Inputs konnten Aufgaben und Übungen sowohl außerhalb auch auch im Rahmen der Präsenzveranstaltung bearbeitet werden. Dabei handelt es sich i.d.R. um Gruppenarbeiten, die über Gruppen im e-Portfolio eigenständig organisiert werden können.
Die Gruppen sind weitgehend autonom. Wer neben den Gruppenmitgliedern Einblick in Gruppenergebnisse oder Diskussionen nehmen darf, entscheidet die Gruppe. D.h. auch der Lehrende kann Gruppenergebnisse nur dann einsehen, wenn die Gruppe diese für ihn frei gibt.
Darüber hinaus besitzt jeder einzelne Studierende ein eigenes Portfolio, in welchem die eigenen Arbeitsergebnisse erarbeitet und gesammelt werden können. Auch hier gilt, dass andere - selbst der Lehrende - nur dann Einblick und Zugriff auf einzelne Arbeitsergebnisse haben, sofern diesen dafür die Einwilligung gegeben wird. Jeder Studierende entscheidet, mit wem er oder sie Inhalte teilt, von wem ein Feedback erbeten wird.
Nachdem es sich um ein Beurteilungsportfolio handelt, müssen die Studierenden am Ende der Lehrveranstaltung bestimmte Arbeitsergebnisse zur Beurteilung einreichen.
Peer Learning
Es kommt darauf an, die Studierenden anzuregen, eigene Lösungsressourcen zu aktivieren und diese untereinander zu teilen. Ziel sollte eine weitestgehende, nach dem Gesichtspunkt der Subsidiarität gestaltete Eigenständigkeit sein. D.h. alles, was die Gruppe allein lösen kann, soll die Gruppe alleine lösen. Erst wenn sämtliche Lösungsressourcen in der Gruppe und zwischen den Gruppen zu bestimmten Herausforderungen erschöpft sind, soll diese an den Lehrenden herangetragen werden.
Es hat sich gezeigt, dass diese Herangehensweise deutlich bessere Lernergebnisse bringt. Allerdings erfordert dies entsprechenden Einsatz und damit Aufwand. Insbesondere in serviceorientierten Settings wird dieser Aufwand gerne vermieden, ist es doch bequemer, dem Lehrenden Fragen zu stellen und Antworten entgegen zunehmen.
Reflexion
Über den Austausch in der Gruppe hinaus ist die Reflexion der eigenen Lernfortschritte wichtig und wesentlich. Deshalb ist jeder Studierende gehalten, ein eigenes Lernblog zu führen. Lernblogs dienen somit der “Nachbearbeitung” des Gelernten und Erfahrenen. Sowohl der fachliche Aspekt als auch der emotionale Aspekt sollte dabei nicht zu kurz kommen.
Das Blog kann wiederum nach Belieben freigegeben werden. Selbst einzelne Blogposts können für sich freigegeben werden, um beispielsweise Feedback bekommen zu können.
Ich empfehle die Lernblogs offen zu führen, d.h. für alle TeilnehmerInnen der Lehrveranstaltung, zumindest für alle Gruppenmitglieder einsehbar und kommentierbar. Am Ende wird das Lernblog ebenfalls bewertet und muss daher dem Lehrenden frei gegeben werden. Dies wird zu Beginn der Lehrveranstaltung deklariert, damit die Autoren jederzeit wissen, dass das Lernblog letztlich kein privates Blog bleibt, sondern beurteilt werden wird. Andererseits steht es Studierenden frei, das Blog nicht zur Beurteilung einzureichen.
Das Fazit
ePortfolios wurden in erster Linie von jenen Studierenden geschätzt, die engagiert die eigene Kompetenz weiter entwickeln wollten und dabei den nötigen Aufwand nicht scheuten.
Für jene, für die Aufwandsoptimierung im Vordergrund stand, erwies sich das Arbeiten mit ePortfolios als eher anstrengend. Durch das Lernblog ließ sich in Verbindung mit Gruppenergebnissen und freigegebenen Einzelarbeiten ein relativ genaues Bild der Arbeitsleistung gewinnen - innerhalb der Gruppen aber auch für den Lehrenden. Das führte letztlich auch hier zu einer Steigerung der Leistungsbereitschaft.
Der Arbeitsaufwand stieg jedoch nicht nur für die Studierenden, sondern insbesondere auch für mich als Lehrenden. Denn Feedback Anfragen wollen beantwortet werden. Dazu sind die Prozesse anfangs zu moderieren, damit das Arbeiten mit ePortfolio in Gang kommt und erste Hürden genommen werden können. Denn es gilt auch hier: von alleine passiert nichts. Das System hinzustellen und zu befüllen reicht nicht aus, um eine entsprechende Nutzung und vor allem einen entsprechenden Erfolg erzielen zu können.
So werde ich mit den Erfahrungen und Feedbacks im Hintergrund das Arbeiten mit ePortfolios konsequent verbessern und fortsetzen.
Weblinks
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