Die zwei Seiten von PowerPoint Slides
Sie sind aus Vorträgen, Vorlesungen und Präsentation kaum mehr wegzudenken: PowerPoint Slides. Sie gehören schon so selbstverständlich dazu, dass vielfach die Sinnhaftigkeit ihres Einsatzes nicht mehr hinterfragt wird. Dass PowerPoint Slides Vorträge und Präsentation ebenso unterstützen können wie Lernprozesse, ist vielfach nachgewiesen (vgl.: Nouri, H. 2005) — auch wenn ein Mehr an Animation bei solchen Präsentationen nicht zu einer Steigerung der Effektivität führt, sondern sich eher kontraproduktiv auswirkt (vgl: Sidman, Cara L. 2007; Mahar, St. 2009).
PowerPoint Slides werden jedoch nicht nur zur Unterstützung des Vortrags genutzt, sondern werden vielfach als grundlegende Lernmaterialien zur Verfügung gestellt - nicht selten ausschließlich. Und das halte ich für außerordentlich problematisch.
Viele Studierende lieben diese Unterlagen, die sich so kompakt ausdrucken lassen. Es sind quasi Stenogramme der Lehrveranstaltung, Stich- und Schlagwort-sammlungen mit anschaulichen Visualisierungen. Ein vermeintlich überschaubarer Lernstoff. Kommt nun noch hinzu, dass nicht Wissen geprüft wird, sondern die Inhalte der ausgegebenen Foliensätze, werden diese Unterlagen nahezu zur ausschließlichen Lerngrundlage. Da nimmt es dann kein Wunder, wenn Studierende bei Prüfungen überfordert sind, sofern sich die Fragen nicht genau auf diese Folien in all Ihrer Verkürzung und Verknappung von Wissen beziehen.
Wer einwendet, dass die eigenen Folien viel umfangreicher seien und einem Skript nahe kämen, muss sich den Kommentar gefallen lassen, er verwende PowerPoint nicht mediengerecht. Wer umgekehrt von studentischer Seite einwendet, es würden die jeweiligen Folien ausgiebig kommentiert und mit Notizen angereichert, macht sich selbst etwas vor, wenn damit behauptet werden soll, dies reiche dann als Lerngrundlage aus. Denn im Regelfall ist selbst eine Vorlesung eine prägnante Darstellung und Vermittlung von Wissen, das der weiteren Erschließung durch Fachliteratur bedarf.
Ich bin daher seit etlichen Semestern sehr zurückhaltend, was die Aushändigung der PowerPoint Dateien anbelangt. Derzeit binde ich diese in Ansichten des e-Portfoliosystems ein (Mahara), mit dem wir in diesem Semester erstmalig arbeiten. Hier stehen die Slides neben der Literaturliste, Tools und weiteren eingebetteten Medien wie Videocasts und zahlreichen Hyperlinks zu vertiefenden und erweiternden Seiten außerhalb und innerhalb des e-Portfolio. Damit wird deutlich, dass die PowerPoint Folien eben nur einen Teil der Unterlagen bilden — und damit letztlich auch nur einen Teil des Prüfungsstoffes.
Deutlich wichtiger schätze ich das Lernblog ein, in welchem nicht nur die Lehrveranstaltungen und der eigene Lernprozess reflektiert werden sollen, sondern auch die Plichtlektüre. Doch das Lernblog erfreut sich keiner besonderen Beliebtheit. Im Unterschied zum Folien-Konsum und einem klar umrissenen Stoff zum Pauken erfordert das Lernblog kontinuierliche Anstrengungen. Zweifelsohne wäre der Lernerfolg durch eine effektive Nutzung des Lernblog deutlich größer, aber eben auch die zeitliche Anforderung. Und damit ist wohl - insbesondere für berufsbegleitend Studierende - ein, wenn nicht der zentrale Punkt angesprochen. Foliensätze als weitgehend ausschließliche Lerngrundlage kommen einer Haltung der Aufwandsminimierung entgegen, d.h. unterstützen in gewisser Weise die Selbsttäuschung, dass sich mit der Kenntnis von Foliensätzen das erforderliche Wissen zu einer Lehrveranstaltung ausreichend aneignen ließe. Da neige ich dazu, diese Selbsttäuschung zu enttäuschen. Das ist unbequem, pädagogisch aber redlich und geboten.
Mahar, Stephen; Yaylacicegi, Ulku; Janicki, Thomas (2009): „The dark side of custom animation“. In: International Journal of Innovation and Learning. 6 (6), S. 581 - 592.
Nouri, Houssein; Shahid, Abdus (2005): „The Effect of PowerPoint Presentations on Student Learning“. In: Global Perspectives on Accounting Education, 2 (2005), S. 53-73.
Sidman, Cara L.; Jones, Dianne (2007): „Addressing Students’ Learning Styles through Skeletal PowerPoint Slides: A Case Study“. In: MERLOT Journal of Online Learning and Teaching. 3 (2007/4).
Editionsgeschichte
Eingetragen von Dr. Conrad Lienhardt am 28.12.11 in Medienpädagogik, Didaktik – Last touched: 18.11.18 – Contents updated: 18.11.181 Kommentar
Kommentar von: mw2702

Das Blogpost spricht mir wahrlich aus der Seele, da ich dieses Phänomen der falsch eingesetzten PowerPoint-Sildes nun schon seit längerem beobachte und ertrage.
Ich bin selbst berufsbegleitender FH-Student und kann ein Lied von unzähligen vergeudeten Vorlesungsnachmittagen singen, an den tonnenweise überfüllte Slides vom Vortragenden heruntergebetet werden. Oft hat man den Eindruck es herrscht gerade zu ein Wettbewerb mit dem Motto “Wer ist der 1. Mensch auf diesem Planeten der den empirischen Beweis für die maximale Folienanzahl (Google hat dazu auch noch keine Antwort :-) ) erbringt.” Es ist schon vorgekommen, dass ich mich bei dem Gedanken ertappe, dass dieses eintönige Herunterlesen nur einen Zweck erfüllt, die “böse” Präsenzzeit irgendwie abzusitzen. Bis dann am Samstagnachmittag um 17:00 für Lehrende und Lernende, mit dem Ende der Lehrveranstaltung, die Erlösung eintritt.
Gerade im Hochschulbereich ist dieser Umstand ein epicFail. Diese verschwendete Zeit könnte mit Leichtigkeit durch Selbststudium ersetzt werden und die Anwesenheit zum gemeinsamen Erfahrungs-Wissensaustausch genutzt werden. Das zeitliche Problem ist meiner Meinung nach nur ein Resultat aus Zeitverschwendung und schlechter Stoffaufbereitung.
Ein weiterer Kritikpunkt ist die unzureichende Einbindung von Fachliteratur in den laufenden Studienbetrieb, und damit meine ich nicht die halbherzig angeführten Standardwerke auf Folie 135 am Ende eines 4h Vortragmarathons – ich meine Literatur mitbegleitet durch den Lehrbeauftragten, mir ist vollkommen bewusst, dass dies einen Mehraufwand bedeutet muss an dieser Stelle jedoch anmerken, die Sildes schreiben sich auch nicht von selbst -> also ist es nur eine Aufwandsverlagerung. Es liegt klar in der Verantwortung des Lehrenden die Studierenden durch das Stoffgebiet zu begleiten -> nicht jede VO kann in einer Literaturrecherche mit BAKK-Arbeitdimension enden. Was mich auch zu meinem nächsten Argument führt, die Übung sich mit Literatur zu befassten kommt spätestens bei der Bachelorarbeit zum tragen und sollte zum Rüstzeug eines jeden Hochschulabsolventen zählen.
Den „Stoff-Lesungen“ stehen die konzeptlosen Vorlesungen, die einem Freestyle-Wettbewerb gleichzusetzen sind, gegenüber – diese Art wird meist mit dem Argument des selbstständigen Erarbeiten von Inhalten gerechtfertigt. Diesem Argument kann ich nur dann zustimmen, wenn das Erarbeiten zeit- und ortsunabhängig stattfinden kann und nicht an die Fesseln der Anwesenheit gebunden ist.
Aus diesen Vortragskonzepten (Folien mit Bullet Points, …) leiten sich auch dann die Klausurkonzepte ab. „Zählen Sie mir 8 von 10 Personalmanagementmethoden auf“
Hier stellt sich für mich die Frage der Sinnhaftigkeit habe ich auf dieser Klausur eine „Sehr gut“ hab ich die Grundzüge des PM verstanden … ich habe aber keinen blassen Schimmer davon weil ich Sie nie richtig anwenden kann weil mir die Fallbeispiel fehlen oder einfach die Erfahrung (wo ich wieder beim Erfahrungsaustausch lande), oder die Tatsache das man mit Menschen und nicht mit Aufzählungspunkten in der Regel konfrontiert ist.
Gerade als Ebiz-Student hätte ich mir in den letzten 5 Semestern mehr innovative Methoden (z.B.: Lernblogs) gewünscht und weniger falsch eingesetzte Medien, das sollte speziell in diesem Lehrgang nicht vorkommen.