Forschungsfragen bei Haus-, Bachelor- und Masterarbeiten?
Eines der in Österreich weit verbreiteten Bücher zur Gestaltung wissenschaftlicher Arbeiten stammt von Karmasin und Ribing. Das schmale, mittlerweile in 7. Auflage erschienene Bändchen fasst wesentliche Aspekte überschaubar, nachvollziehbar und einfach zusammen und eignet sich damit grundsätzlich gut als Handreichung.
Was mich allerdings immer wieder verwundert ist der m.E. unzutreffende Gebrauch des Terminus ‘Forschungsfrage’. Per Definitionem geht es weder bei Bachelor- noch Masterarbeiten und schon gar nicht bei Hausarbeiten um ‘Forschung’. Von Forschung kann im Rahmen wissenschaftlicher Ausbildung erst in einer Dissertation gesprochen werden. Zuvor geht es um die Entwicklung bestimmter Fertigkeiten: angefangen vom Beherrschen des Handwerks wissenschaftlichen Zitierens und Bibliographierens, dem Wissen um einen entsprechenden formalen Aufbau einer wissenschaftlichen Arbeit bis hin zu einem angemessen sprachlich präzisen Ausdruck und logischer Argumentation. Insbesondere soll die Fähigkeit herausgefordert werden, sich zu einem Thema einen Überblick über den aktuellen Stand wissenschaftlicher Auseinandersetzung in der Literatur zu verschaffen und unterschiedliche Ansätze zu diskutieren (Literaturdiskussion). Eingeübt gehört ebenso, zwischen Präsumtion, Hypothese, These, Beweis, etc. zu unterscheiden und zu wissen, welche methodischen Konsequenzen sich daraus jeweils ableiten.
Es hört sich zwar gut an, wenn eine fünfseitige Seminararbeit zu einem Allerweltsthema oder eine dreißigseitige Bachelorarbeit als Forschungsarbeit tituliert werden, aber es bleibt letztlich unangemessen und unzutreffend. Studierenden wird damit ein falsches Bild von Forschung vermittelt.
Natürlich kommt es vor, dass im Rahmen von Masterarbeiten auch Forschung betrieben wird und neue Ergebnisse den wissenschaftlichen Diskurs bereichern - das ist jedoch nicht die Zielsetzung solcher Arbeitsformate. Es geht hier in erster Linie um die Fähigkeit der Verfasser, wissenschaftlich selbständig zu arbeiten, nicht um einen vollgültigen Forschungsbeitrag.
Ich appelliere, die Anforderungen nüchtern zu benennen und auf unangemessene Übertreibungen, seien sie auch noch so charmant und gut gemeint, zu verzichten.
Vielleicht gelingt es Karmasin und Ribing in einer nächsten Auflage, sich wissenschaftlich Aufrichtiger mit dem Begriff ‘Forschungsfrage’ auseinanderzusetzen.
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