Auf zwei Hochzeiten zugleich tanzen - Integriertes Distance Learning
Wie kann es gelingen, bzw. kann es überhaupt gelingen, via Distance Learning Studierende, die über verschiedene Zeitzonen verstreut sind, in eine Präsenz-Lehrveranstaltung so einzubringen, dass für Sie ein vergleichbarer Nutzen gesichert werden kann und dies bei einem zumutbaren Aufwand, vergleichbar “bequem” und mit gleicher Qualität?
Wir - 32 Studierende, davon 10 im Ausland, und ich - haben es versucht. Über die zeitlichen und technischen Herausforderungen haben ich im letzten Blogpost “Meine Erfahrungen mit Adobe Connect — integriertes Distance Learning” schon geschrieben. Wichtig ist es vorauszuschicken, dass es sich nicht um eine „klassische” Vorlesung handelte, sondern um eine Laborübung, in der die Studierenden in Gruppen an ihren Workstations nach dem Motto „Hands on” mit diversen Aufgabenstellungen konfrontiert waren. Zum Aufbau und den Ergebnissen der Lehrveranstaltung habe ich eine kurze Video-Bilanz auf Vimeo veröffentlicht.
Kurzum; das Vorhaben war alles andere als einfach. Ein Vorlesung hätte man live übertragen, besser noch als Videocast zur Verfügung stellen können, ergänzt durch entsprechende Plattformen (z.B. Wiki) für Rückfragen und Feedbacks. Der Umstand allerdings, dass in dieser Lehrveranstaltung Gruppenarbeiten begleitet wurden, also ein Prozess des Lernens im Versuchen, Probieren, Überarbeiten, Verbessern und wieder Probieren usf., hätte jedes sog. „Broadcasting” zum Scheitern gebracht. Es ging letztlich um zeitnahe Unterstützungen und Interventionen während des Übens.
Entsprechend waren auch die Erfahrungen. Die anwesenden Studierenden konnten in Ihren Gruppenarbeiten direkt betreut werden. Die via Adobe Connect eingebundenen Studierenden mussten sich untereinander erst einmal über Gruppenarbeitsräume in Adobe Connect virtuell zusammensetzen und abstimmen. Dafür waren ganz andere Prozesse und Kompetenzen gefordert, als bei Abstimmungsprozessen innerhalb einer Gruppe sich gegenüber sitzenden TeilnehmerInnen. Die Lehrveranstaltung selbst bot allerdings keine Möglichkeiten und Gelegenheiten, diese Herausforderung zu begleiten und zu betreuen. Letztlich waren die Studierenden hier sich selbst und der eigenen Findigkeit und Selbstorganisation überlassen. Zugleich aber sollten sie mitverfolgen, was sich während der Lehrveranstaltung ereignete, welche allgemein relevanten Hinweise auch für sie selbst und ihre Gruppenaufgaben wichtig sein könnten.
Die Interaktion beschränkte sich wegen der zuletzt schon erwähnten Bandbreitenproblematik auf die in Adobe Connect intetrierte Chat-Funktion und einen gelegentlichen, asynchronen Austausch via Wiki und Twitter. Der Chat wurde von einem anwesenden Studierenden, dem auf Adobe Connect Veranstalter-Rechte eingeräumt wurden, moderiert. (Ohne seine Unterstützung wäre dies sicherlich deutlich weniger reibungsfrei verlaufen.) Er unterbrach mich während der Betreuung der anwesenden Gruppen, um auf Fragen und Anliegen der Externen hinzuweisen. Das hatte zur Folge, dass für die Anwesenden eine Art „Unterbrechung” angesagt war. (Während umgekehrt der sonstige Verlauf der Lehrveranstaltung für die Externen quasi ohne sie stattfand.) So wanderte meine Aufmerksamkeit und damit die Wahrnehmung gruppendynamischer Prozesse, was selbst wiederum entsprechende Dynamik verursachte.
Der großen Solidarität der Studierenden untereinander und einem hohen Maß gegenseitiger Rücksichtnahme und Toleranz diesem Setting gegenüber ist es zu danken, dass dennoch für alle Beteiligten die Lehrveranstaltung anregend und gewinnbringend (nützlich) war - das zeigt die anonyme Evaluation der Lehrveranstaltung. In anderer Konstellation hätte es auch durchaus gröbere Reibungen geben können.
Entsprechend gestaltete sich die Lehrveranstaltung - pragmatisch betrachtet - als eine Übung für die anwesenden Studierenden, der Externe live zugeschaltet waren und diese so verfolgen konnten. Grundsätzlich hätte die Betreuung der externen Studierenden über synchrone und asynchrone Medien eine weitgehend andere Didaktik notwendig gemacht.
Daher würde ich zusammenfassend den Versuch als aufschlussreich bezeichnen, als eine wichtige Etappe, um weiter Erfahrungen in der Betreuung von externen Studierenden im Rahmen einer gemeinsamen Lehrveranstaltung zu sammeln. Es wäre beim nächsten Mal sicherlich zielführend, für Externe eine Mischung aus synchronem, live Anteilnehmen und asynchroner Begleitung durch Videocasts zu organisieren. Das „Zuschalten” allein und eine technisch verheißene Option zur Teilnahme und Teilhabe in „Echtzeit” kann vorerst wohl nur als Provisorium dienen.