Wo, wenn nicht in der New Economy, der DotCom Wirtschaft können Sie ohne Geschäftsmodell und Kapital mit 12 Leuten ein Unternehmen aufbauen und es nach eineinhalb Jahren um 1 Milliarde US Dollar wieder verkaufen? So geschehen im April 2012, als Facebook Instagram kaufte, eine kostenlose Foto-Sharing-App für iOS- und Android-Mobilgeräte. Obendrein wird gemunkelt, dass Facebook diese eine Milliarde nur ausgegeben haben soll, um Instagram in nächster Zeit vom Markt zu nehmen – was nach der Ankündigung der Einführung einer eigenen Fotoapplikation wahrscheinlich ist. Wo sonst könnten Sie ein Unternehmen wie Pandora Media an die Börse bringen, das ohne jemals Gewinn erwirtschaftet zu haben beim Börsengang Aktien im Wert von 235 Millionen USD verkaufen konnte?
Facebook selbst, ein Unternehmen, das keine 4 Milliarden USD Umsatz macht und im wesentlichen die Wachstumsphase hinter sich hat, erzielte mit dem Börsengang am 18.05.2012 einen Erfolg, der rational nicht nachvollziehbar ist. Ein Börsenwert von 104 Milliarden US Dollar ist ohne Zweifel eine massive Überbewertung des Unternehmens. Zum Vergleich: Damit schafft Facebook einen höheren Börsenwert als Daimler und die Deutsche Telekom zusammen. Die NZZ bezeichneten den Börsengang Facebooks als „einen der übelsten Börsengänge der letzten Jahre” (24.05.12) bei dem Anleger inzwischen bis 19,92% ihrer Anlage verloren haben, während Facebook und seine Eigentümer 16 Milliarden USD verdienten.* Die Unstimmigkeiten rund um den Börsengang haben bereits gerichtliche Nachspiele (Vgl. Handelsblatt, 23.05.2012: „Technologiebörse Nasdaq verklagt”, „Klagen gegen Zuckerberg”)
Neben Facebook weist der desaströse Börsengang von Pandora in Richtung hereinbrechender (hereingebrochener) zweite Auflage einer DotCom Krise. Obwohl das Unternehmen - wie schon gesagt - nie in die Gewinnzone kam, gab es beim Börsengang am 15. Juni 2011 Aktien um 16 USD aus, deren Wert sogar kurzzeitig 10 USD zulegte, bevor sie abstürzte und sich laut Analysten bei einen Zielwert von 5,50 USD einpendeln wird.* Ähnlich katastrophal entwickelte sich Groupon* Hier verlor die Aktie gegenüber der Ausgabe bis heute 54,46% des Wertes.
Daneben hat in den letzten Monaten vor allem der bisher erfolgreiche Börsengang von LinkedIn Aufsehen erregt. Der Ausgabepreis der Aktien lag bei 45 USD. Im Unterschied zu Facebook entwickelte sich die Aktie aber außerordentlich erfolgreich. Binnen eines Jahres notierte sie bei 98,80 USD (25.05.12), hat damit seinen Wert mehr als verdoppelt.* Dennoch ist dieser Börsenwert angesichts der Realdaten des Unternehmens rational nicht nachvollziehbar.
David A. Kaplan hat in einem bemerkenswerten Beitrag “Don’t call it the next tech bubble - yet” in Fortune vom 25. Juli 2011 versucht, auf die Verunsicherung und die wachsenden Bedenken unter den Risikokapitalgebern (VC) und Investoren hinzuweisen.*
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Es gibt zweifelsohne überraschende Parallelen zwischen den Jahren 1995-1997 und 2009 bis heute. Für Kaplan bedeutet dies jedoch nicht zwingend, dass sich die Entwicklung gleichermaßen fortsetzen werde und zwangsläufig zu einer Neuauflage einer DotCom-Blase und ihrem Platzen führen müsse. (Vgl. dazu die Infographik von Nicholas Jackson „Are We in the Middle of Another Tech Bubble?”)
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Eine Wiederholung der DotCom Krise in der damaligen Dimension ist wohl nicht zu erwarten, zumindest deutet vieles auf eine deutliche Abflachung der Euphorie bei Risikokapitalgebern (VC) hin. Dies wird sich zunehmend bis zu den Investoren an den Finanzmärkten herumsprechen und dort ebenfalls zu einer Abkühlung führen. Zudem darf die psychologische Wirkung des katastrophalen Börsengangs von Facebook nicht unterschätzt werden. Viele Anleger haben sich über den Tisch gezogen gefühlt und mussten erfahren, dass sie sich von einem professionell inszenierten Medienhype mitreißen ließen, obwohl Analysten schon länger vor einem Einstieg bei Facebook gewarnt hatten.
Die Geschehnisse verstärken den Eindruck, dass viele Geschäftsmodelle der sog. New Economy weniger auf das eigentliche Produkt und dessen Wertschöpfung abstellen, als vielmehr auf Finanzspekulation und Gewinne aus Geschäften auf Finanzmärkten. Die Produkte selbst geraten damit zunehmend in Verdacht, in erster Linie dafür entwickelt zu werden. Eine Ernüchterung tut gut und ist längst überfällig.